Archiv: Vor Ort in Nigeria 2013 - 2017


Auf dieser Seite befinden sich die Briefe von Gabi Ayivi aus den Jahren 2014 bis 2017.

Die aktuellen Briefe ab 2018 finden sie hier.


Brief von Gabi Ayivi vom 4.11.2017

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

in Deutschland wird es kalt, in Emene kehrt langsam aber sicher die Hitze zurück, nachdem sich der Regen bis auf Weiteres verabschiedet. Wie immer musste ich mich erst mal eine Weile berappeln, bis ich der nötige Abstand einkehrte, über die Erlebnisse des Sommers in Deutschland und meiner Rückkehr nach Emene nachzudenken und in der Folge auch zu berichten. Zu meiner großen Freude sind es überwiegend positive Dinge, die stattgefunden haben und die noch vor uns liegen, auch wenn die aktuelle Gegenwart bedrückend ist.

Bild: vor dem Abflug mit Father Donatus

Es war der turbulenteste Sommer meines Lebens, das ja grundsätzlich nie langweilig war. Aber die Monate Juli und August 2017 haben alles bisher Dagewesene weit in den Schatten gestellt. So viele Begegnungen, so viel Austausch, so viel positive Rückmeldungen! Und zum ersten Mal seit Jahren ein 5tägiger Urlaub, den ich bei Freunden an der Ostsee verbringen durfte. Vielen Dank an alle, die mich in dieser Zeit begleitet haben, vielen Dank für die großzügigen Spenden, vielen Dank für Inspiration, Ermunterung und Zuspruch. Vielen Dank an meine Bühlinger Gastfamilie, die mich und den damit einhergehenden Trubel aushält. Ich weiß das sehr zu schätzen.

Eine meiner Informationsveranstaltungen wurde in Salmendingen auf der Schwäbischen Alb abgehalten in einer sehr rührigen Kirchengemeinde, in der seit 7 Jahren ununterbrochen ein katholischer Priester aus Nigeria die Urlaubsvertretung für den heimischen Geistlichen übernimmt. Dadurch hat diese Gemeinde in erhöhtes Interesse an Informationen aus dem Südosten von Nigeria. Ich freue mich schon jetzt auf meinen Besuch im nächsten Jahr.




Bild: Veranstaltung in Salmendingen


Inzwischen bin ich längst wieder zu Hause angekommen und in den Alltag eingetaucht, so dass es gelingt, weiter zu erzählen über

Nno und seine Kinder:

Wie angekündigt, hatten wir die Maler im Haus. Die Renovierungsarbeiten sind abgeschlossen, Haus und Gartentor erstrahlen in neuem Glanz, auch unser Mäuerchen erhielt endlich einen Anstrich.





Bilder: Mäuerle und Eingangstor

Nicht nur ich war abwesend, auch die Kinder hatten Ferien, die sie meist bei ihren diversen Familien verbrachten. Gott sei Dank sind sie alle wieder wohlbehalten Anfang September fast zeitgleich mit mir hier eingetroffen.

Nach wie vor liegt von schulischer Seite her alles im grünen Bereich. Jedes Kind hat im Rahmen seiner Möglichkeiten das bestmögliche Ergebnis erreicht. Promise und Tochukwu haben sich an die Klassenspitze vorgearbeitet und sind darüber sehr stolz. Benjamin hat seinen Schulabschluss erreicht und alle Prüfungen bestanden. Er ist Mitte Juli ausgezogen und übt sich darin, künftig auf eigenen Beinen zu stehen.

Aaron Kosi wechselte vom „Kindergarten“ in die Grundschule. Zu meiner großen Freude fand sich im Verlauf des Sommers eine Patin für ihn. Vielen Dank an dieser Stelle nach Tübingen!

Aber immer, wenn ich denke, alles läuft in ruhigen und geregelten Bahnen, wartet der nächste Dämpfer erfahrungsgemäß um die Ecke. Unser Sunny-Boy Tochukwu, der gesundheitlich Stabilste, hat vor Kurzem einem Arzt offenbart, dass er beim Wasserlassen Probleme habe. Um diese Beschwerden abzuklären, wurde zunächst ein Ultraschall angeordnet, der einen suspekten Befund im Bereich der Harnblase ergab. Zwei Tage später erfolgte eine Cystoskopie mit Gewebeentnahme – Ergebnis liegt noch nicht vor. Wenige Tage später kam es wiederholt zu starken Blutungen, weswegen er stationär aufgenommen werden musste. Während er selbst wie immer relativ gelassen bleibt, sind Chioma und ich doch sehr besorgt. Vor allem treibt mich die Frage um, was ich im Fall des Falles unternehmen kann, um ein Kind einer optimalen Therapie in Deutschland zuführen zu können. Dieses Problem werde ich jetzt vorrangig abklären. Die Ärzte sind hier zwar freundlich und z.T. auch engagiert. Das Leben eines Kindes zählt aber grundsätzlich relativ wenig, und unsere Kinder sind darüber hinaus noch alle mit einem Handycap beladen. Dass Tochukwu noch am Leben ist, verdanken wir zum einen dem operierenden Orthopäden, weiterhin der Übernahme der Behandlungskosten durch OLILEANYA im Frühjahr 2015, also allen Spenderinnen und Spendern aus Deutschland. Ohne diese Gelder wäre die Behandlung nicht fortgeführt worden, Tochukwu wäre an einer Sepsis gestorben.

Im Moment hoffe ich nur darauf, dass er bald wieder so selbstbewusst in die Linse grinst wie auf diesem Bild:

Wir setzen auf jeden Fall alles daran, die Stimmung im Haus fröhlich zu gestalten und die Sorgen nach Möglichkeit vor dem Gartentor zu lassen.

Weiteres zum Thema „Kinder“ findet sich ausnahmsweise unter der Rubrik „Augenklinik“.

Gesundheitsfürsorge

Augenklinik / ASH:

Unser Projekt des Baus eines eigenen Gebäudes für die Augenklinik entwickelt sich langsam weiter. Einige Dinge müssen noch geklärt werden, bevor Herrn Dr. Eckert ein konkreter Kostenvoranschlag vorgelegt werden kann. Immerhin haben bereits wesentliche Vorarbeiten stattgefunden: Das Kasava-Feld ist nahezu geräumt, der bereits abgestorbene Baum ist gefällt, das Holz ist abtransportiert.

Bilder:  Arbeiten auf dem Gelände

Wir sind also auf einem guten Weg: es gibt bereits einen Grundriss für das Gebäude. Vor meinem geistigen Auge sitzen im Wartebereich bereits die ersten Patienten, der Arzt arbeitet unter für Nigeria optimalen Bedingungen zum Wohle der Kranken. Eine schöne Vorstellung...



Noch aber ist es nicht so weit, sondern wir werden mit den Anforderungen der Gegenwart konfrontiert: Wir haben ein neues Kind aufgenommen, den 10jährigen Ugochukwu.

Bild: Ugochukwu

Er wurde beim letzten Außentermin dem Augenarzt vorgestellt: Glaukom im Anfangsstadium, extreme Kurzsichtigkeit. Tod der Mutter im April diesen Jahres, der Vater liegt ebenfalls im Sterben, drei weitere Geschwister, die von Familienangehörigen mehr oder weniger gut durchgeschleppt werden. Um zu gewährleisten, dass das Kind eine optimale medikamentöse Versorgung erhält, deren zuverlässige Einnahme auch gewährleistet ist, haben wir uns entschlossen, dass es künftig bei uns wohnen kann. In den letzten Wochen lag es an den finanziellen Ressourcen des Onkels, ob der Junge zu Kontrolluntersuchungen beim Arzt vorgestellt wurde, sowie an ihm selbst, die Tropfen zu applizieren und die Tabletten zu schlucken. Ja, die Situation in Nigeria ist um Lichtjahre entfernt von deutschen Gegebenheiten. Bedingt durch den Umstand, dass die Patenschaft für Benjamin beendet ist, kann diese auf Ugochukwu übergehen.








Zur großen Freude von Sr. Edith und mir konnte der im letzten Rundbrief vorgestellte Notfall der Familie O. auf wunderbare Weise gelöst werden: Durch eine spontan durchgeführte Benefiz-Lesung meiner einzigartigen Freundin Mehrnoush Zaeri-Esfahani (siehe Link zu ihren Büchern) und drei großzügigen Einzelspenden kam so viel Geld zusammen, dass die Krankenhausrechnung bezahlt werden konnte und genug übrig blieb, um der Familie einen Start in ein Leben unter veränderten Bedingungen zu ermöglichen.

Als Sr. Edith und ich die Familie kurz vor meinem Abflug zu Hause besuchten, kam uns Herr O. zwar noch langsam und wackelig, aber doch auf seinen eigenen Beinen entgegen. Die Entlassung aus dem Krankenhaus hat ihn im wörtlichen Sinn instand gesetzt, sich aufzurichten und wieder auf den Weg zu machen.

Dies sind die überwältigenden Momente, in denen mir klar wird, dass der Einsatz hier sinnvoll und richtig ist, dass die Anstrengungen belohnt werden. Die Freude darüber möchte ich an Sie weitergeben und Sie ermuntern, uns weiterhin so tatkräftig zu unterstützen. Leider kann ich kein aktuelles Foto von Familie O. anliefern, die hier gezeigte Aufnahme stammt vom Juni 2017. Wenn wir endlich unseren längst fälligen Besuch absolvieren konnten, gibt es eine Nachlieferung.

Bild: Familie O.

KuKuk war in Emene

und kommt wieder! Zwar wurde der Antrag bei der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit abgelehnt, dennoch wird das im letzten Rundbrief angekündigte Projekt in Angriff genommen. Der nächste Termin steht bereits: im April 2018 fliegen sie wieder ein, dieses Mal zum Bau eines neuen Spielplatzes auf dem Gelände der Inclusions-Schule, in die auch unsere Kinder gehen. Vernetzung ist eine wunderbare Sache, ohne Zweifel.

Aufräumarbeiten

Frau Dr. Holst und ihr Team waren wie angekündigt hier, zwar nicht mit dem Dentalkoffer, aber mit jeder Menge Zangen. Ergebnis: 351 behandelte Patienten an 10 verschiedenen Orten, 295 extrahierte Zähne (siehe „Dokumentation“), und das alles in knapp 2 Wochen.
















Es war in bekannter Weise sehr anstrengend. Die Behandlung wurde in Kirchenräumen, in Schulen und in Gemeindesälen durchgeführt, einmal auch im Freien. Noch immer werde ich von verschiedenen Seiten darauf angesprochen, wie hervorragend diese Aktion war und wie dankbar die Menschen sind darüber, von ihren Ruinen im Mundraum befreit zu sein. Und alle Organisatoren wünschen sich eine Wiederholung. Ich selbst wünsche mir, dass uns Frau Dr. Holst und ihr Team in positiver Erinnerung behalten und diesen Wunsch erfüllen.

Mehr Fotos gibt es in der Bildergalerie.



Was gibt es sonst noch im Südosten Nigerias?


Verfehlte Politik und Armut gehen Hand in Hand. Im letzten Oktober war ich empört über die Spende der Bundesregierung von 18 Mio. Euro an Herrn Buhari, den Präsidenten Nigerias, zur Bekämpfung der Armut im Lande – in Enugu ist nichts davon angekommen, was sichtbar Wirkung hinterlassen hätte. Mehrmals wöchentlich klopfen Hilfesuchende an die Türe, täglich wird mir die Not vor Augen geführt. Bei einem unserer Außentermine mit der Augenklinik im Oktober 2016 fiel uns eine Mutter mit zweien ihrer Kinder auf. Das jüngere, das noch nicht gehen konnte, war ausgetrocknet und apathisch. Wir haben es auf dem Rückweg mitgenommen und es wurde im Annunciation Hospital für zwei Tage an den Tropf gehängt. Gut erholt wurde es mit der Mutter und seinem älteren Bruder wieder nach Hause entlassen. Wie wir erfahren haben, ist der kleine Bub vor wenigen Wochen an Unterernährung verstorben. Dabei leben wir nicht in einem Hungergebiet – es gibt genug Nahrungsmittel, aber kein Bargeld, um diese zu kaufen. Es gibt auch genug Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft der hilflosen Mutter, die hätten helfen können. Aber die vormals angeblich in Stein gemeiselten Werte der Igbo-Gesellschaft bröckeln in diesen Zeiten: jeder kümmert sich um sich selbst. Der Vater des Kindes ist blind, kann keine Farmarbeit mehr verrichten. Ein Teufelskreis


Bild: Mutter mit vor kurzem verstorbenem Baby


Ein wenig mehr Hoffnung keimt auf im Kontakt mit Pauline, einer durch Glaukom erblindeten alten Frau, die wir letzte Woche besuchten. Auch sie steht völlig alleine, hat von außen keine Unterstützung. Als wir um ca. 10 Uhr am Vormittag bei ihr eintrafen, hatte sie noch nichts gegessen und nichts getrunken. Aber sie war bereits zur Kirche gegangen, um von Gott Hilfe zu erbitten. Diese kam in Gestalt unseres klapprigen Vehikels, eines Brotes und einer Flasche Apfelsaft. Sie fing an, mit sich selbst zu reden. Übersetzung: „Warum hat mich Gott ausgerechnet mit Blindheit gestraft? Ich habe gehört, dass die Weißen lange Nasen haben. Solche Nasen hätte ich doch zu gerne einmal gesehen.“ Sie hat sich dann aber auch über den Besuch und das Brot gefreut. Ich bin zuversichtlich, dass wir sie sehr bald aus dieser Situation herausholen können. Bereits im Sommer haben wir über Lösungen nachgedacht. Diese wären auf niedrigem Niveau angesiedelt: Ernährung, ein Dach über dem Kopf, ein Bett. Das sollten wir doch schaffen.

Bild:  Pauline auf dem Dorf





Rechtzeitig zu meiner Rückkehr startete die Armee ein vierwöchiges Manöver, das vor allem im Südosten von Nigeria mit großer Besorgnis beobachtet wurde. Es bestand die begründete Furcht, dass „Python 2“ dazu führen würden, dass Soldaten aus dem Norden die vorsichtigen Unabhängigkeitsbestrebungen im früheren Biafra blutig niederschlagen würden. Mir ist bekannt, dass eine englische Familie sogar ausreiste aus Furcht vor Übergriffen. Auch wir waren beunruhigt darüber, ob die Sicherheit des Zahnarztteams gewährleistet sein würde. Unser grundsätzlich vorhandenes Gottvertrauen hat uns auch dieses Mal nicht im Stich gelassen: alles blieb ruhig. Auch an zahlreichen Kontrollposten durch Armee und Polizei wurden wir sehr freundlich begrüßt und problemlos durchgewinkt.

Die nächste Krise trat in Erscheinung durch das Auftreten der gefürchteten Monkey-Pox. Entgegen diverser Falschmeldungen gab es aber keine Fälle in Enugu State.

Heute stehen in Enugu-State die Kommunalwahlen an. Bisher verläuft zumindest in Emene alles ruhig. Noch allerdings sind die Pläne für ein eigenständiges Biafra im Südosten von Nigeria längst nicht begraben. Allerdings steht Nnamdi Kanu, die „Lichtgestalt“ für ein unabhängiges Biafra, seit Monaten unter Hausarrest.

https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2017-05-30/50-jahre-nach-der-unabhaengigkeitserklaerung-biafras

Grundsätzlich stelle ich fest: nirgendwo ist die Lage entspannt. In Spanien rumort es (wir werden sehen, was sich daraus in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt), auch von einem „friedlichen Europa“ kann keine Rede sein. Überall knirscht es im Gebälk. Einer meiner Enkel wurde vor wenigen Tagen auf dem Schulhof von einer Maus gebissen. Nun schwebt das Gespenst des „Hanta-Virus“ über ihm. Das Leben ist grundsätzlich ein Risiko.

Es gibt aber auch sehr Überraschendes: Auf der Fahrt zu unserem letzten Zahnarzteinsatz stellte ich zu meiner Verblüffung fest, dass sich an einer der großen Ausfallstraßen Enugus erneut Mercedes angesiedelt hat. In einträchtiger Nachbarschaft zu KIA, Hyundai, Toyota, Peugot und wie sie alle heißen flattert munter die deutsche Fahne. Und um noch eines draufzusetzen: Im vornehmen Stadtviertel Independence-Layout residiert seit August ein „Spar“-Markt. Noch gibt es dort keinen deutschen Wein zu kaufen, aber wer weiß?


In Deutschland ist der Wintereinbruch angekündigt, in Emene dagegen wird es täglich wärmer und trockener. Die ersten Staubwolken wirbeln durch die Luft. Nachdem in deutschen Landen die Uhr auf „Winter“ umgestellt wurde, liegen wir auch zeitlich wieder auf derselben Schiene. Ich nehme das mal als positives Zeichen: wir ticken gleich...

Ganz zum Schluss dieses Briefes, der auf jeden Fall von der Zuversicht getragen wird, dass hier in Emene und seiner nächsten Umgebung mit Eurer/Ihrer finanziellen und ideellen Unterstützung weiterhin etwas positiv bewegt werden kann, kündige ich mit großer Freude das Erscheinen unseres Kalenders für 2018 an. Dieser kann ab Mitte November wieder bei der Musik-Box in Rottweil, Bernd Kammerer, bestellt oder direkt gekauft werden (siehe auch Kasten auf der Eingangsseite mit Probeansicht). Er ist – wie auch eines der sehr bewegenden Bücher von Mehrnoush Zaeri-Esfahani - wärmstens als Weihnachtsgeschenk zu empfehlen.

Und am 02.12.2017 findet im Café „Bienenkönigin“ von 13.30 – 18.00 Uhr in Zimmern o.R. wieder einmal ein OLILEANYA-Adventsmarkt statt. Es gibt Gestricktes, Gehäkeltes, Genähtes aus der Werkstatt in Emene; wärmende Mützen, in denen die eingearbeitete Sonne Nigerias zusätzlich dazu beiträgt, dass die Käuferin garantiert nicht an die Ohren friert, Taschen aus fröhlichen afrikanischen Stoffen etc.. Es wird allerdings bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die Stücke keine Billigartikel sind. Alles wurde mit hochwertigen Materialien hergestellt und hat von daher seinen Preis, der jedoch gerechtfertigt ist. Der Unterschied zeigt sich beim Tragen.

Verabschieden möchte ich mich mit einem sehr wichtigen Satz von Albert Schweitzer:

Es steht uns nicht frei, den Völkern Afrikas Wohltaten zu erweisen oder nicht zu erweisen. Es ist unsere Pflicht. Alles. was wir ihnen geben, ist keine Wohltat, sondern eine Sühne.

Wer wie ich jeden Tag sieht, wie die Menschen unter den Lebensumständen leiden, die ihnen zum großen Teil durch die Rahmenbedingungen der „ersten Welt“ auferlegt wurden und bis heute werden, kann diesem Satz nur zustimmen.


Herzliche Grüße - Eure / Ihre Gabriele Ayivi

Emene, 04.11.2017


33 Bogen und ein Teehaus

Mehrnoush Zaeri-Esfahani, erschienen im Peter-Hammer-Verlag

www.peter-hammer-verlag.de

Hier geht es zur aktuellen Bildergalerie zum Brief vom  4.11.2017




Brief von Gabi Ayivi vom 15.5.2017

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

seit dem letzten Rundbrief im Dezember 2016 sind fast fünf Monate ins Land gezogen. Mit aktuellen Informationen wollte ich so lange warten, bis über ein weiteres Projekt konkreter berichtet werden kann. Seit Ende April ist es so weit, Einzelheiten findet Ihr / finden Sie unter dem Thema „Augenklinik“. Aber auch sonst ist ausgesprochen viel passiert seit Weihnachten, Schönes und Trauriges, Anstrengendes und Beflügelndes. Die „Fülle“, von der ich im Dezember schrieb, ist zu meiner Verblüffung immer noch dehnbar. Das Leben und die Arbeit hier sind und bleiben weiterhin spannend!

Jetzt aber in gewohnter Weise alles schön der Reihe nach:

Nno und seinen Kindern:

Nach wie vor dreht sich das Leben hier im Haus in erster Linie um die Kinder und ihr Wohlergehen. Benjamin legte bis Ende April sein WAEC ab (West African Examination Counceling ), nach einer kurzen Pause folgt ab Mitte Mai NECO (National Examination Councel). Wenn er diese beiden Examina besteht, hat er den höchsten in Nigeria zu absolvierenden Schulabschluss. Im frühen Sommer 2017 wird er mit allem fertig sein und das Haus verlassen. Im Moment ist ihm leider noch nicht klar, in welche Richtung er sich beruflich orientieren wird. Auch aus diesem Grund wird es Zeit, ihn aus der beschützenden Umgebung hier zu entlassen, damit er mit seinen nahezu 24 Jahren eigene Entscheidungen treffen und seinen Weg finden kann. Erfreulicherweise hatte er unter kontinuierlicher medikamentöser Behandlung während seines gesamten Aufenthaltes hier keine epileptischen Anfälle.

Die Zeugnisse des zweiten Schultrimesters geben bei den drei „Großen“, Okwudili, Tochukwu und Promise, Anlass zu großem Stolz: alle haben das Klassenziel erreicht und konnten ihren Rang innerhalb der Klasse halten oder verbessern. Ich habe den Eindruck, dass sie endlich aufgewacht sind und die Chance auf eine gute Schulbildung besser verstehen.

Ein großes Fest fand zu Ostern statt: Promise und Tochukwu wurden getauft und empfingen die erste Heilige Kommunion. Sie haben sich intensiv auf dieses Ereignis vorbereitet und waren sehr glücklich. In Afrika ist es dringend erforderlich, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das Individuum spielt keine große Rolle, das Leben findet in der Gruppe statt*. Promise möchte hierzu nach Pfingsten bei den Pfadfindern einsteigen, Tochukwu hat sich noch nicht entschieden.

Bild oben::  Promise und Tochukwu




Bild:  Promise hilft Chiadi bei den Hausaufgaben









Bild: Tochukwu hängt Wäsche auf 








Erfreulicherweise hat sich endlich eine Patin für Aaron Kosisochukwu gefunden. Vielen Dank an dieser Stelle nach Tübingen.

DoReMiFaSoLaTiDo:

Inzwischen konnte ein sehr guter Musiklehrer gefunden werden. Alle Kinder sind mit großer Begeisterung dabei, üben auch ohne große Aufforderung eigenständig. Selbst Tochukwu macht im Rahmen seiner Möglichkeiten mit, setzt in erster Linie sein sehr persönliches Instrument, die eigene, schöne Singstimme ein.

Aus diesem Anlass wiederhole ich meine Bitte vom Dezember 2016:

Da die Kinder sehr unterschiedliche Fähigkeiten aufweisen, bitten wir die geneigte Leserschaft herzlich darum, in ihrem häuslichen Fundus nach einer nicht mehr benötigten, aber dennoch noch gut zu spielenden C-Flöte zu fahnden. Weiterhin sind wir interessiert an einer Triangel. So sich Derartiges finden lässt, bitte melden. Nach meinem Sommeraufenthalt in Deutschland Ende August 2017 kann ich diese Geschenke mit nach Hause nehmen.“

Bild vom Musikunterricht: Auch Theorie ist vonnöten

Emene und Umwelt:

Auch hier bin ich einen Schritt weiter gekommen: Im März lernte ich einen Chemie-Lehrer der nahegelegenen Secondary-School St. Joseph kennen. Er informierte mich darüber, dass es in Enugu bereits eine Recycling-Firma gibt, die sich in staatlicher Hand befindet. Wir haben dort einen Besuch gemacht und den neu gegründeten Bereich des Plastik-Recyclings besichtigt. Bislang werden dort nur Abfälle von Firmen angenommen, die für die Aufbereitung zur Weiterverwendung bezahlen. Wir haben die Idee vorgebracht, in Emene Plastik zu sammeln und abzuliefern. Es fand sogar schon ein kurzes Gespräch beim Leiter des Betriebes statt, der den Vorschlag interessant fand. Wir werden dieses Projekt weiter verfolgen und hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft zu einem Ergebnis gelangen.

Bilder von Recycling-Unternehmen


Zu meiner großen Enttäuschung sind zwei sehr wertvolle und äußerst wichtige Projekte mit „Enactus“ vorerst auf Eis gelegt. Die Formulierung des Auswärtigen Amtes zur Sicherheitslage in Enugu-State hat die Gruppe der Projektteilnehmer so beunruhigt, dass schlussendlich auf übergeordneter Ebene entschieden wurde, Nigeria von der Liste der Länder zu nehmen, in denen „Enactus“ aktiv wird. Damit ist der Plan, an der Versorgung mit sauberem Trinkwasser für einen bezahlbaren Preis zu arbeiten, zumindest für den Moment gescheitert.

Bitter ist, dass ausgerechnet in Enugu im März 2017 der „World Water Day“ abgehalten wurde. Es wurde konstatiert, dass mehr als 5 Milliarden Menschen weltweit verunreinigtes Wasser trinken müssen. Forderungen werden formuliert, deren Umsetzung viele, viele Jahre in Anspruch nehmen würden. Es gibt kein Abwassersystem in Enugu-State, weder für private Haushalte noch für die Industrie. Hier müssten umwälzende Maßnahmen eingeleitet werden, um eine grundlegende Veränderung und Anpassung im Interesse der Umwelt herbeizuführen. Ich vermute aber, dass die hierfür Verantwortlichen in Enugu wieder im Dornröschenschlaf versinken, nachdem die Kommission abgereist war.

Link: http://www.worldwaterday.org/wtd-events/world-water-day-2017-improve-access

Gesundheitsfürsorge

Augenklinik / ASH:

Im Grunde genommen hätte diese Rubrik an den Anfang des aktuellen Berichtes gestellt werden müssen. Große Veränderungen stehen ins Haus:

Herr Dr. Christoph Eckert, der Leiter des Augenzentrums Dr. Eckert in Herrenberg, bot uns im Januar 2017 an, in Emene eine eigene Augenklinik aufzubauen. Dies wird nun in naher Zukunft in Kooperation mit den Daughters of Divine Love geschehen. Das Gebäude wird direkt hinter dem Annunciation Specialist Hospital entstehen. Hierdurch wird ermöglicht, dass die Kapazität und Qualität der augenärztlichen Behandlung deutlich erhöht wird. Wir werden endlich genug Platz haben, die bereits vorhandenen Gerätschaften effektiv zu positionieren und zu nutzen. Im Moment wachsen auf dem Grundstück noch Kasava und Kochbananen, die aber im August abgeerntet werden. Im September kann es also mit dem Bau losgehen. Wir werden zwar nach wie vor die „Vision 2020“ der WHO nicht erfüllen können. Stattdessen haben wir unsere eigene VISION 2017 entwickelt, die einen grundlegenden Vorteil hat: sie lässt sich umsetzen und bietet im Rahmen unserer Möglichkeiten das beste Behandlungsangebot für die in unserer Region lebenden Betroffenen.

Wer sich für Einzelheiten interessiert, findet unter „Vision 2017“ weitere Informationen. 


Ein weiteres Anliegen, die Situation vor Ort im Bereich der Versorgung Kranker einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird seit 5 Wochen umgesetzt: Isabelle, eine Tochter meiner Freundin Bettina, absolviert einen Arbeitseinsatz im ASH als frisch examinierte Hebamme. Des weiteren begleitet sie uns bei Außenterminen der Augenklinik. Sie wird ihre Eindrücke nach ihrer Rückkehr Mitte Mai im Kopf und im Herzen tragen und als weitere Botschafterin von OLILEANYA in ihrem Bereich verbreiten. Es wäre schön, wenn weitere BerufsanfängerInnen aus geeigneten Arbeitsfeldern ihrem Beispiel folgen würden. Das ASH braucht dringend Impulse von außen, um zu einer zeitgemäßen Anpassung der derzeit bestehenden Arbeitsweisen zu finden.




















Dringende Bitte um Unterstützung

Manchmal ist es sehr schwer, den auf mich einstürmenden, vielfältigen Anliegen mit der erforderlichen Gelassenheit zu begegnen. Ich möchte dies am Beispiel des mir zuletzt vorgetragenen Falles darstellen:

Ein 41jähriger Familienvater von fünf Kindern erlitt bei einem Verkehrsunfall am 16.12.2016 eine schwere Verletzung des Rückenmarks. Zunächst konnte er nur den Kopf bewegen. Inzwischen ist er in der Lage, in einen Rollstuhl zu sitzen, mit Unterstützung einige wenige Schritte zu gehen und unter Anleitung ein Training der Muskeln an Armen und Händen vorzunehmen. Nachdem die finanziellen Ressourcen der Familie aufgebraucht waren, wurde er aus ärztlicher Behandlung entlassen. Das Krankenhaus darf er aber erst verlassen, wenn die gesamten Kosten beglichen sind. Im Moment sind noch 249.410 Naira offen (nach aktuellem Wechselkurs ca. 600 Euro). Die familiäre Situation ist dramatisch: seit Mitte Dezember hält sich die Ehefrau mit dem 9 Monate alten Baby zur Betreuung des Mannes im Krankenhaus auf. Die vier weiteren Kinder im Alter von 12, 10, 6 und 5 Jahren sind alleine zu Hause, haben seither den Vater nicht gesehen, der 12Jährige muss eigenständig seine jüngeren Geschwister versorgen. Die Mutter geht einmal in der Woche nach Hause, um nach dem Rechten zu sehen. Herr O. war vor dem Unfall in einem Hotel als Manager angestellt, die Familie hatte ein gesichertes Einkommen und lebte in geordneten Verhältnissen. Nun steht sie vor dem Nichts.

Dies sind für deutsche Verhältnisse unhaltbare Zustände – hier sind sie Alltag und werden nur im Einzelfall bekannt. Natürlich war ich schon unterwegs, um Unterstützung bei diversen Organisationen vor Ort zu beantragen – bislang ohne Erfolg.

OLILEANYA hat in den letzten Monaten relativ viel Geld in die augenärztliche Behandlung investiert; weitere Augen-Operationen stehen an. Wir sind deshalb auf Sonderspenden unter dem Stichwort KRANKENHAUSKOSTEN HERR O. angewiesen. Überweisungen bitte auf das Konto von OLILEANYA , Volksbank Rottweil (BIC GENODES1VRW, IBAN DE07 6429 0120 0056 9550 06).

KuKuk war in Emene

Ein großes Ereignis für Emene war der Bau des Spielplatzes Anfang März. „KuKuk-Kultur“ aus Stuttgart hat sein Angebot wahrgemacht und auf dem Gelände der Grundschule St. Marys ein wunderschönes Projekt realisiert. Eine Woche lang waren die 7 jungen Handwerker vor Ort und haben in brütender Hitze gewerkelt, gebuddelt, gesägt, gebohrt, geschraubt und vor allen Dingen geschwitzt. Was niemand für möglich gehalten hatte: am 6. Tage konnte der neue Spielplatz im Rahmen einer fulminanten Feier offiziell eröffnet werden. In letzter Minute trafen wir auf dem Flugplatz ein, um die Akteure zum Rückflug zu verabschieden.

Neben dem neuen Spielangebot für viele Kinder in Emene bin ich überaus glücklich auf die Aussicht einer hoffentlich stattfindenden Fortsetzung: Unter www.KuKuk-Kultur.de, Projekte 2017, ist zu sehen, dass die Beteiligten gerne wiederkommen möchten. Wie ich inzwischen weiß, hat die Projektleiterin bei der Landesstiftung Baden-Württemberg, Bereich Entwicklung und Zusammenarbeit, einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht, „Mittel für ein Train-the-trainer Konzept“ zur Verfügung zu stellen –„also ein „Hilfe zur Selbsthilfe Konzept“, bei dem wir kommen und vor Ort Spielplatzbauer ausbilden. Dabei würden wir zunächst gemeinsam einen Spielplatz bauen, dann eine kleine Theorieeinheit einschieben und im Anschluss die lokalen Spielplatzbauer ein eigenes kleines Projekt machen lassen. Mal sehen, ob das was wird, wir drücken auf jeden Fall fest die Daumen.“


Ich kann nicht leugnen, dass ich sehr stolz darauf bin, dass OLILEANYA an dieser Sache maßgeblich beteiligt ist. Eine weitere unserer Zielsetzungen, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen, wäre damit erreicht.









Ausblick auf 2017

Das Klima Nigerias ist anstrengend für Menschen und Materialien. Deshalb sind bereits nach drei Jahren Reparaturarbeiten am Haus erforderlich, es benötigt auch einen neuen Anstrich. Diese Maßnahme wird in den nächsten Wochen über die Bühne gehen.

Ende Juni bis zum 30. August komme ich wieder nach Deutschland. Einige Termine zu Informationsveranstaltungen sind schon im Kasten. Sollte konkret der Wunsch bestehen, komme ich gerne auch an weitere Orte. Per mail bin ich problemlos zu erreichen.

Wie bereits angekündigt, beginnen wir im September mit dem Bau der neuen augenärztlichen Abteilung. Damit werden wir wohl ein Jahr lang gut beschäftigt sein.

Der Besuch der Zahnärztin, Frau Dr. Holst, ist organisiert. Sie kommt ebenfalls im September für zwei Wochen und wird mit ihrem Dentalkoffer über die Dörfer reisen.


Was gibt es sonst noch im Südosten Nigerias?

Der bisherige Inhalt des vorstehenden Briefes zeigt auf, dass keinerlei Veranlassung zum Zurücklehnen besteht. Einer Fülle von Problemen steht ein nahezu-Nichts an Lösungsansätzen gegenüber. Die Teuerungen im Land halten an, sehr viele Menschen können sich nur noch unzureichend ernähren. Vor wenigen Tagen wurde im Radio die Nachricht verbreitet, dass alle 10 Minuten eine Frau unter der Geburt stirbt, weil sie unter miserablen Bedingungen entbinden muss. Selten ist Geld vorhanden, um eine gute geburtshilfliche Abteilung aufzusuchen. Die Einschätzung, dass drei Viertel der Bewohner von Enugu-State mit ihrem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegen, ist alarmierend. Das Elend findet weitgehend im Verborgenen statt. Sichtbar wird es, wenn Menschen in Lumpen oder nackt auf den Straßen unterwegs sind, mit Pappe notdürftig zugedeckt unter den Brücken schlafen, vor Schmutz starrend betteln oder sich ihre „Nahrung“ in den Müllcontainern suchen. „Die Stille ist ein Geräusch“, so heißt der Titel eines Buches von Juli Zeh (einer Autorin, die das KuKuk-Projekt unterstützt hat. Das Buch schildert eine Fahrt durch Bosnien nach dem Krieg.) Treffender kann man auch bittere Armut und Trostlosigkeit, häufig in Kombination mit psychischer Krankheit, nicht formulieren: Eine nicht zu überhörende Stille von Menschen, die aus der Gesellschaft herausgefallen sind, ohne Hoffnung auf Veränderung. Es wäre jedoch fatal, sich von diesen Bildern lähmen zu lassen. Die Menschen um uns herum brauchen Zuspruch , Ermutigung und konkrete Hilfe. Was auf den Straßen Enugus täglich zu sehen ist, widerspricht allen Informationen, die von den Verantwortlichen nach außen hin verbreitet werden.

In den vergangenen Jahren konnte um OLILEANYA herum ein breites Netzwerk aufgebaut werden aus engagierten Privatleuten, Priestern, Ärzten und Sozialarbeitern. Das ermutigt außerordentlich. Wir haben viele Ideen und noch mehr Energie; was uns fehlt, ist Geld im Bereich der Gesundheitsfürsorge.

OLILEANYA kann nicht in allen Bereichen aktiv werden – aber wir können die Situation der Wahrheit entsprechend transportieren. Um effektiv helfen zu können, sind wir dringend auf Eure/Ihre finanzielle Unterstützung angewiesen. Es wäre sehr schön, wenn der vorstehende Bericht Euch / Sie überzeugt, dass es sinnvoll ist, ihn weiterzureichen und uns Gelder zuzuwenden.


Eure / Ihre Gabriele Ayivi

Emene, Im Mai 2015


*Vor vielen Jahren hat ein Schweizer Ethnologe eine Feldstudie über die gesellschaftlichen Strukturen Westafrikas durchgeführt und die Ergebnisse veröffentlicht. Ich habe sie abgeschrieben und lade alle interessierten ein, es zu lesen. In einer gesonderten Datei finden Sie den Text mit dem Titel „Vom Fluch der Magie“. Er hat bis heute unverändert Gültigkeit und bietet einen wertvollen Zugang zur Denkweise der Menschen hier sowie zu den Zwängen, unter denen sie leben.


Hier geht es zur aktuellen Bildergalerie zum Brief vom 15.5.2017




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Brief von Gabi Ayivi vom 20.12.2016

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

ein weiteres Jahr ist vergangen, so schnell, dass mir fast schwindelig ist. Ein zweites Mal stehen wir als Haus „Nno“ vor Weihnachten und ich bin überwältigt, was sich in den letzten 12 Monaten ereignet hat. Unzählige Überlegungen gingen mir durch den Kopf, unendlich viel Eindrücke stürmten auf mich ein – positiver und negativer Art; so wie das Leben halt ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in meinem Leben vieles ballt und dass in der Fülle alles intensiver wahrgenommen wird. Aber noch ist es zu bewältigen... Inzwischen habe ich den Kulturschock zwischen Europa und Afrika wieder verarbeitet, auch wenn es in diesem Jahr ungleich länger dauerte als in der Vergangenheit. Ich bin wieder angekommen.

Den deutschen Engagement-Preis haben wir leider nicht gewonnen. Wir sind einfach nicht bekannt genug, unsere Mitglieder sind auch nicht im hierfür erforderlichen Umfang in den neuen sozialen Netzwerken engagiert. Ich bin darüber nicht sonderlich traurig, haben wir doch einen treuen Förderkreis, der sich nicht innerhalb weniger Wochen aufbaut und später in sich zusammenfällt.

Da der Verkauf des OLILEANYA-Kalenders in diesem Jahr eher schleppend verläuft, möchte ich nochmals gesondert darauf hinweisen. Er wird auf der Website vorgestellt (mit allen weiteren Informationen über Bezugsadressen etc.), wurde eventuell nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Aber es sind ja noch einige Tage bis zum Jahreswechsel, so dass Gelegenheit zur Bestellung besteht.

Leider kann der angekündigte Adventsmarkt in Rottweil nicht stattfinden. Ich werde mich bemühen, diesen im nächsten Jahr wieder zu installieren.

Lassen Sie mich jetzt zu der eigentlichen Berichterstattung kommen:

Nno und seine Kinder:

Der Aufenthalt von ChiChi ist leider gescheitert. Ein weiteres Mal musste ich feststellen, dass wir nicht alle an uns herangetragenen Aufgaben bewältigen können. ChiChi wird deshalb nach den Weihnachtsferien nicht zu uns zurückkehren.

Dafür hat sich der kleine Chiadi / offiziell „Henry“ auf wunderbare Weise hier eingefunden. Er ist unser absoluter Sonnenschein, ein Hüpfball, voller Energie und Tatkraft. Im ersten Schulzeugnis seines jungen Lebens wurde ihm eine hohe Intelligenz bescheinigt, woran auch von meiner Seite aus kein Zweifel besteht. Außerdem ist er der einzige, der seine Nase mit Begeisterung in ein Buch steckt. Zwar sind es bislang nur Kleinkindbücher mit Bildern, aber offensichtlich wurde mit dem Angebot eine Saat gelegt. Er wird nicht müde, sich damit zu beschäftigen.

Bild: Chiadi der Hochstapler








Bild:
Okwudili + Chiadi: zwei beste Freunde










Vor wenigen Tagen ging das erste Trimester dieses Schuljahres mit einer fulminanten Weihnachtsfeier zu Ende. Chiadi hatte seinen ersten offiziellen Auftritt als Josef, Mmesoma konnte ihre „Röhre“ beim Vortrag eines Liedes unter Beweis stellen. 


Bilder: Chiadi + Mmesoma











Alle Kinder haben gute bis sehr gute Ergebnisse vorzuweisen.

Im gesamten Jahr gab es keine schwerwiegenden Erkrankungen, die Kinder sind in einem guten bis sehr guten gesundheitlichen Zustand. Selbst vor Malaria blieben wir, abgesehen von einer Ausnahme, verschont. Dafür bin ich mehr als dankbar und hoffe zuversichtlich darauf, dass sich dieser Zustand auch im nächsten Jahr fortsetzt. Schwere Sorgen bereitete mir im Oktober die Ankündigung, dass von Seiten UNAIDS (UN-Organisation für Menschen, die HIV-positiv oder an Aids erkrankt sind) die Medikamentenlieferung für Nigeria drastisch gekürzt werde. Zahlreiche Ärzte waren durch betrügerische Machenschaften aufgefallen: sie hatten die Medikamente, die Nigeria zur unentgeltlichen Abgabe an HIV-Infizierte von UNAIDS bereit gestellt worden waren, in ihren Privatpraxen verkauft. Dadurch war ein empfindlicher Engpass bei der Versorgung der Armen entstanden. UNAIDS hatte angekündigt, bis zu einer Klärung der Vorkommnisse und Beseitigung der Missstände die Medikamentenlieferungen zu reduzieren. Erst jetzt erhielt ich Entwarnung durch den in Enugu für die Organisation der Behandlung von HIV-Infizierten und Aidskranken zuständigen Arzt: Es gebe genügend Medikamente für die nächsten zwei Monate. Dieses Zeitfenster reißt mich zwar nicht zu Begeisterungsstürmen hin, aber ich muss mich damit zufrieden geben und hoffe, dass sich die Situation stabilisiert. Eine offizielle und verbindliche Regelung wurde nämlich bisher nicht getroffen, evtl. hat UNAIDS auch nur mit dem Säbel gerasselt.

Küche:

Im letzten Rundbrief schrieb ich noch: „Dieses Projekt ist nun fast vollständig abgeschlossen.“ Jetzt, Mitte Dezember, können wir das „fast“ streichen. Natürlich hatte ich im Sommer auch eingekauft, u.a. pfiffige Ergänzungen bei einer Fa. aus Schweden. Diese letzten Ergänzungen kamen vor 2 Wochen endlich hier an und wurden Anfang dieser Woche montiert. Damit wurden auch die letzten Lücken eines ehrgeizigen Projektes geschlossen und ich bin rundum zufrieden. Sowohl für Chioma als auch für mich ist die Küche der schönste Raum im ganzen Haus.












DoReMiFaSoLaTiDo:

Eine weitere Bereicherung unseres Hausstandes fand statt durch das Eintreffen des letzten Teilstückes eines Keyboards in Form des noch fehlenden Ständers. Ab nun können wir Musik machen! Wir werden einen Klavierlehrer suchen und die Kinder entsprechend ihrer Begabung unterrichten lassen. Ein weiteres, von Beginn an geplantes Vorhaben kann begonnen werden!












Da die Kinder sehr unterschiedliche Fähigkeiten aufweisen, bitten wir die geneigte Leserschaft herzlich darum, in ihrem häuslichen Fundus nach einer nicht mehr benötigten, aber dennoch noch gut zu spielenden C-Flöte zu fahnden. Weiterhin sind wir interessiert an einer Triangel. So sich Derartiges finden lässt, bitte melden. Wir werden einen Transfer nach Emene organisieren können.


Hühnchen und Hähnchen:

Die Eier aus eigener Hühnerhaltung sind endlich Realität geworden. Zwar hat Chioma noch keine erklärte Legehenne gekauft (sie sind ihr bisher zu teuer), aber Eva und ihre Töchter beliefern uns fleißig. An einem Sonntagmorgen haben die Kinder 11(!) Eier angeliefert. Leider habe ich versäumt, dieses Großereignis für die Nachwelt abzulichten. Die Eilein sind klein, aber fein und wir sind stolz auf unseren Züchtungserfolg. Adam hat leider massive Probleme mit seinem Timesetting. Er kräht pünktlich um 1.30 Uhr in der Nacht, und zwar mit beeindruckendem Stimmaufwand. Dann ist wieder Ruhe bis ca. 4.30 Uhr. Ab dann begleiten ihn seine Damen in seinen Bemühungen, die nächtliche Stille mit Klang zu füllen.

Emene und Umwelt:

Wenn etwas für mich schwer auszuhalten ist in Nigeria, dann ist es die extrem gemächliche Gangart in nahezu allen Bereichen (außer im Straßenverkehr!, da pressiert es allen). Wir haben oft über die dringende Notwendigkeit einer Veränderung gesprochen, mit den verschiedensten Personen, sie zeigen sich interessiert – vordergründig. Bereits 2mal wurden vom Caritas-Verband Enugu im Rahmen des von Papst Franziskus ausgerufenen Jahres „Laudato si“ Seminare zum Thema „Umwelt“ geplant; jedes Mal kamen „dringendere“ Themen dazwischen. Nun ist 2016 nahezu abgeschlossen. Mal sehen, was 2017 bringt.

Eine kleine Hoffnung keimt auf durch das Spielplatzprojekt von „KuKuk“ Stuttgart, in dessen Rahmen wir auf dem Schulgelände von St. Marys Mülltonnen fest installieren wollen. Aus der Schweiz bekamen wir Mustertüten zum Sammeln von Plastikmüll. Vor Beginn des Baus des Spielplatzes soll eine Lehrer-Eltern-Versammlung abgehalten werden, um die Gesamtplanung vorzustellen sowie mein konkretes Vorhaben, das Schulgelände zur „plastikfreien Zone“ zu erklären.

Inwieweit sich die Initiative „Enactus“ der Universität Mannheim im Rahmen ihrer Wasserfilteranlage mit diesem Thema auseinandersetzen kann, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Augenklinik / ASH:

Nach wie vor ist die Augenklinik neben dem täglichen Engagement für die Kinder der Bereich, in den ich am meisten Zeit investiere. Speziell die Fahrten mit unserem Bus zu den Untersuchungsterminen in abgelegene Dörfer sind sehr befriedigend. Unter welchen Bedingungen Dr. Ezike und seine Assistenten ihre Sprechstunde abhalten, ist für deutsche Verhältnisse unvorstellbar.

Fotos: Augenklinik










Und immer sind wir hochwillkommen! Beim ersten Herbsttermin in einem der Dörfer wurden wir sogar mit einer Live-Band empfangen (siehe Fotos in unserer Bilder-Galerie). Die Freude und Dankbarkeit der Menschen über die Hilfe ist überwältigend – die dringende Notwendigkeit ist bedrückend; und oft kommen wir zu spät, ist die Erblindung bereits zu weit fortgeschritten. In den meisten Fällen jedoch kann geholfen werden – entweder durch Medikamentengabe oder durch Operation. Hier spielt OLILEANYA eine große Rolle. Durch großzügige finanzielle Unterstützung aus Deutschland können wir für diejenigen, die über kein Einkommen verfügen, weitreichend die Kosten übernehmen. Ich hoffe, dass durch die Fotos nachvollziehbar ist, wie glücklich mich diese Sprechstunden machen: von der ersten Vorbereitung am frühen Morgen bis zur Rückkehr am späten Nachmittag bin ich überzeugt davon, dass wir mit unserer Arbeit genau am richtigen Ort sind.







Fotos: Vorbereitung outreach-Termin 


Die zum Teil langen Fahrten durch die wunderbare Landschaft wären Genuss pur, wenn die Straßenverhältnisse besser wären. Aber wir sind meist weit entfernt davon, hierüber zu jammern: es ist, wie es ist... Und den Bus aus einem Schlammloch zu ziehen oder einen geplatzten Reifen zu ersetzen, gehört zum Geschäft – genau so wie der Kauf frischen Gemüses oder von Obst bei den Bauern am Straßenrand bei der Rückfahrt.

Am 23.12.2016 werden wir zum ersten Mal in der Geschichte der Augenklinik eine Weihnachtsfeier mit all den Patienten veranstalten, die im Verlauf des letzten Jahres durch die Unterstützung von OLILEANYA medikamentös und/oder operativ behandelt werden konnten.

Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Augenklinik wurde vor wenigen Wochen gelegt: endlich traf die Schenkung aus der aufgelösten Arztpraxis in Bremen in Emene ein! In den nächsten Wochen werden die diversen Apparaturen aufgestellt und in Betrieb genommen. Dr. Ezike und sein Team werden in der Handhabung geschult werden. Die ärztliche Leitung des Krankenhauses ist überglücklich über diese wertvolle Ergänzug der Ausstattung.

Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen von OLILEANYA und des Annunciation Specialist Hospital sehr herzlich bei all denjenigen bedanken, die dieses möglich machten: Die spendende Familie, die Spedition Ressin in Rottweil, die uns den Lagerplatz bis zur Verschiffung unentgeltlich zur Verfügung stellte, und die Schreinerei Flaig aus Schramberg, die – ebenfalls unentgeltlich – die überseetaugliche Spezialverpackung einer sehr sensiblen Maschine vornahm. Unser Vereinsmitglied Marcel Nwosu hat die Ladung des Containers bewerkstelligt , diesen 3 Wochen später im Hafen von Lagos in Empfang genommen und den Weitertransport nach Emene organisiert – ein Weihnachtsgeschenk der ganz besonderen Güte.



Siehe hierzu auch den Artikel im „Schwarzwälder Boten“ vom 11.9.2016









Auch der Defibrilator aus der Schweiz hat inzwischen seinen Platz im Krankenhaus gefunden. Ich hoffe, dass er möglichst selten in Betrieb genommen werden muss...


Lepra:

Eigentlich war geplant, mit dem während eines Liederabends in Tübingen gesammelten Geld die Krankenversicherung für 12 im Lepra-Camp Emene lebenden Betroffenen zu sichern. 



Leider hat die Versicherung die Übernahme der Patienten abgelehnt. Es werden zu hohe Kosten erwartet – eine Verpflichtung zur Aufnahme wie bei einer AOK gibt es leider nicht. So werden wir die Kostenübernahme der Medikamente übernehmen, so lange das Geld reicht, in der Hoffnung, dass andere entsprechende Spenden nachfolgen. Das deutsche Aussätzigenhilfewerk sieht sich nicht in der Lage, direkte Hilfe zu leisten. Das Spendenaufkommen aus Deutschland sei stark zurückgegangen, die zur Verfügung gestellten Gelder würden benötigt, um Hilfsprojekte aufzubauen und das dafür erforderliche Personal zu finanzieren.




Heute haben wir eine ärztliche Sprechstunde abgehalten in Kombination mit einer Weihnachtsfeier im Camp. Siehe Fotos








Ausblick auf 2017

Am 13.12.2016, haben die Rektorin des Therapeutic Day Care Centers und ich die Schulmaterialien aus Tübingen unter uns aufgeteilt. Frau Ebigbo freute sich über die reiche Spende, alles ist hochwillkommen!

Wenn wir wie geplant fortfahren können, bekommen wir Anfang März für gut eine Woche Besuch aus Stuttgart, der Kinderspielplatz wird Realität. Wie zu erwarten, ist die Vorfreude riesig! Wir werden noch einiges zu erledigen haben bis zu diesem Termin, aber es ist schön, endlich diese Planung Realität werden zu lassen

Die Zahnärztin wird aus terminlichen Gründen ihres Teams erst im September 2017 kommen. Aber das ist gut so, weil sich sonst alles im Frühjahr stauen würde. Ergänzend hat sich eine frisch gebackene Hebamme für April – Anfang Mai angekündigt, die das Team der Geburtsstation tatkräftig unterstützen wird. Wir freuen uns sehr auf ihr Kommen!

Wir werden also alle gut beschäftigt sein bis zum Frühjahr. Es herrscht Aufbruchstimmung.

Was gibt es sonst noch im Südosten Nigerias?

Wie bereits im letzten Rundbrief formuliert, verschlechtert sich die Situation des täglichen Lebens kontinuierlich. Wir dürfen das seit einer Woche erneut hautnah erleben: der große Generator des Krankenhauses, über den wir unseren Strom beziehen, ist defekt. Wann die Reparatur erfolgreich abgeschlossen werden kann, ist ungewiss. Deshalb sind wir seit der Nacht von Dienstag zu Mittwoch letzter Woche weitgehend ohne Elektrizität. NEPA, die staatliche Energiegesellschaft, hat in dieser Zeit immer nur für wenige Stunden Strom geliefert. Die Konsequenzen: die Lebensmittel sowohl im Kühlschrank als auch im Gefrierfach verderben, wir mussten alles entsorgen, wir können uns nicht vernünftig bevorraten. Ab 18.30 Uhr herrscht tiefe Finsternis, romantischer Kerzenschein bei allen Handlungen ist angesagt: zum Kochen, beim Abendessen (und danach gehen wir ins Bett). Der Computer liegt über weite Strecken brach, das Handy kann nicht aufgeladen werden, die Waschmaschine steht still. Kaffeemaschine: tschüss, ich kehre zu Instantkaffee zurück. Der Ventilator ventiliert kein bisschen – wir transpirieren eine Runde mehr, vor allem nachts. Wir können kein Wasser hochpumpen, die täglichen Waschungen finden aus dem Eimer statt – und so weiter und so fort. Gott sei Dank haben wir einen Gasherd, so dass das Kochen gewährleistet ist. Das kann in einem Ein-Personen-Haushalt organisiert werden – für einen 10-Personen-Haushalt mit Kleinkindern wird es zur absoluten Herausforderung. Seit Ende letzter Woche haben wir einen kleinen Leih-Generator in Betrieb genommen, der alle paar Stunden mit Benzin und Öl nachgefüllt werden muss. Wir setzen ihn allerdings nur sehr sparsam ein, weil auch er sehr störanfällig ist.

Im Oktober habe ich mich über die offiziellen Verlautbarungen während des Buhari-Besuches in Deutschland extrem geärgert: Nicht nur wurden Herrn Buhari zur Bekämpfung der Armut großzügig Gelder zur Verfügung gestellt; die Kanzlerin hat den erklärten Willen der Bundesregierung bekundet, deutsche Firmen zur Investition in Nigeria zu ermutigen. 

Um solche Planungen Realität werden zu lassen, muss die Infrastruktur in Nigeria grundlegend verbessert werden: Die Straßenverhältnisse sind außerhalb der großen Metropolen (und auch dort abseits der großen Prachtstraßen) in einem absolut desolaten und teilweise extrem gefährlichen Zustand. Die Sicherstellung der Anlieferung von Strom für den kontinuierlichen Betrieb einer Firma ist in keiner Weise gewährleistet (siehe oben). Die allgegenwärtige Korruption treibt die Kosten für Im- und Export in gigantische Höhen, eine verlässliche Kostenkalkulation wird verunmöglicht. Was also, bitte schön, sollte zum gegenwärtigen Zeitpunkt für einen deutschen Unternehmen einen Anreiz schaffen, sich in Nigeria niederzulassen? Und welcher junge Mensch, bitte schön, sollte sich durch die Verheißungen von Frau Merkel davon abhalten lassen, im attraktiven Europa sein Glück zu suchen und stattdessen auf äußerst vage Vorhaben vertrauen?

Nigeria ist ein reiches Land, das im Grunde genommen keine finanzielle Hilfe von außerhalb benötigt – so denn die zur Verfügung stehenden Gelder zweckbestimmt verwendet werden würden. Und damit dies passiert, bedarf es strikter Kontrollmechanismen. Solange dies nicht gewährleistet ist, wird das millionenschwere Geschenk aus Deutschland im Sand versickern... Die Verantwortlichen in deutschen Regierungskreisen sind also gut beraten, sich zunächst über die konkreten Gegebenheiten Nigerias zu informieren, bevor sie Versprechungen oder Empfehlungen formulieren.

Dazu kam die Angst wegen der angedrohten Kürzung der Medikamentenlieferung, die meine Kinder direkt betreffen würde.

Dennoch überwiegen die positiven Aspekte: das fröhliche Zusammenleben unserer Gemeinschaft im Hause „Nno“*, die Aussicht auf den Spielplatz in Emene, das Projekt mit Enactus Mannheim, die Arbeit mit der Augenklinik, die nach wie vor gegebene Spendenbereitschaft. Und ich bin nicht alleine – wir sind hier viele, die täglich aufs Neue versuchen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Das gibt Mut und Zuversicht. Und: die Hoffnung stirbt zuletzt.

*seit Neuestem wird unser buntes Gartentor von Passanten als Hintergrundmotiv für Fotos genutzt!

Am Ende dieses Jahres, das für meinen Geschmack viel zu schnell vorüberzog, bedanke ich mich herzlich bei all denen, die mich unterstützt, die an mich gedacht haben: in Form von großzügigen Geld- und Sachspenden, von guten Wünschen, durch Übernahme von Patenschaften, durch Gebet, durch e-mails, vereinzelt sogar durch Anrufe! Ohne all das wäre unser Leben in jeder Hinsicht wesentlich ärmer, und ohne Euch/Sie wäre eine Arbeit hier in weiten Teilen nicht möglich! In diesem Sinne wünsche ich allen Freundinnen und Freunden, allen Leserinnen und Lesern dieses Rundbriefes ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest sowie alles Gute für 2017! Ich schicke Ihnen eine verträgliche Portion Wärme aus Emene in einen kalten europäischen Winter, alles Lachen in den Gesichtern der Menschen, jedes vielfache „good morning“ auf der Straße, jedes „kedu“ = „wie gehts?“

Eure / Ihre Gabriele Ayivi

Emene, 20.12.2016

Hier geht es zur aktuellen Bildergalerie zum Brief vom 20.12.2016



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Brief von Gabi Ayivi vom 27.09.2016

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

vor 4 Wochen bin ich aus einem 9wöchigen Deutschlandaufenthalt zurückgekehrt. Es war eine sehr intensive Zeit, angefüllt mit Gesprächen, Veranstaltungen, Begegnungen, Organisatorischem und vielen, vielen z.T. völlig unerwarteten Geschenken. Für alles bedanke ich mich sehr herzlich: für Gastfreundschaft, für Geld- und Sachspenden, für Ideen, für Ausblicke, für Ermunterung und Bestätigung, kurz für wertvolle Unterstützung jeglicher Art.

Bild: 
Erste Informationsveranstaltung Juli 2016 in Ingelheim: von links nach rechts: Frau Wasem-Ferch, verantwortliche Lehrerin für das fair-trade-Projekt an der Berufsbildenden Schule Ingelheim, zwei engagierte Schülerinnen, Gabi Ayivi und ihr Patensohn Frédéric, der die Einladung organisierte.









In der online-Ausgabe einer Rottweiler Zeitung, die ich fast täglich aufrufe, begegnet mir seit Neuestem bei jedem Artikel der Hinweis: Lesedauer: ... min. Nach meinen bisherigen Beobachtungen ist man – glaubt man den Angaben – in der Regel nach ca. 2 Minuten durch. Damit kann ich nicht dienen. Schließlich möchte ich die Transparenz abliefern, die ich bei so vielen anderen Hilfsorganisationen vermisse.

Als speziellen Service haben wir aber für diejenigen, die nur an ganz bestimmten Teilbereichen interessiert sind, vor einiger Zeit Rubriken eingeführt. So können Sie / könnt Ihr ganz gezielt Ihre / Eure Ecke ansteuern. Auch die Lektüre auf Raten ist möglich. Natürlich freue ich mich über jede(n), der sich über alles informiert. Ich verspreche, es lohnt sich. Ein Novum wird eine weitere Rubrik sein: Ausblick auf 2017. Lasst Euch / lassen Sie sich überraschen. In ihr werden die Ergebnisse des Sommeraufenthaltes 2016 zusammengefasst.

Für all diejenigen, die bereits auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Weihnachtsgeschenk sind: in Kürze kommt der Olileanya-Kalender für 2017 auf den Markt. Sie dürfen sich schon jetzt auf Geschichten aus der Fabelwelt der Igbo freuen. Hauptakteur ist Tortoise, der Schildkröterich, der in Igbo-Land hohes Ansehen genießt. Meist ist er sehr clever, zuweilen überschätzt er sich. Aber er lernt immer aus seinen Fehlern. Zum Einstimmen stellen wir den März 2017 vor. 


Die Bilder wurden von einem Künstler aus Emene gemalt, er erzählte mir auch die Geschichten. Wie bisher kann der Kalender sowohl über mail@olileanya.info als auch über die Musikbox in Rottweil – info@textonaut.de bestellt, bei der Musikbox in der Hauptstraße 27 Rottweil auch direkt gekauft werden. Die weiteren Verkaufsadressen werden über www.olileanya.info noch gesondert bekannt gegeben.

Im Dezember werden wir hoffentlich wieder einen Adventsverkauf abhalten können. Derzeit sind wir noch voll in der Produktion! Auch diese Daten sind zu gegebener Zeit über die Website abzurufen.

Jetzt geht es aber erst mal in gewohnter Weise los mit

Nno und seinen Kindern:

Seit einigen Tagen haben wir endlich ein zweites Mädchen in der Familie: ChiChi (offiziell Maryvina) ist in den letzten Zügen 11 Jahre alt, Ende Oktober wird sie 12. Sie ist die jüngste Schwester von Mary Cynthia, die wir seit 2012 begleiten, indem ihr z.T. durch Einzelspenden die Schulgebühren finanziert wurden. Im Frühjahr 2016 hat sie den Schulbesuch mit gutem Ergebnis mit einem Abschluss beendet, der dem deutschen Abitur entspricht. Ich werde während des „Ausblicks auf 2017“ nochmal von ihr berichten. Die beiden Schwestern sind Halbwaisen, der Vater starb vor fast 11 Jahren bei einem Verkehrsunfall. Mit Maryvina haben wir erstmals ein Kind aufgenommen, das körperlich gesund ist und auch intellektuell keine Einschränkungen aufweist. Ich denke aber, dass der Umstand, dass sie ohne Vater aufwachsen musste, Belastung genug ist für ein Kind. Ihre Mutter kommt bis heute nicht über den Tod des Ehemannes hinweg, für die Versorgung ihrer insgesamt vier Kinder benötigt sie nach wie vor intensive Unterstützung durch ihre Familie. Außerdem folgen wir mit der Aufnahme von ChiChi auch einem inclusiven Modell, gleich der Schule, in die alle Kinder seit April 2016 gehen.


von links nach rechts:

vorne: Vivian, Aaron, Maryvina  

Mitte: Guave, Chioma, Gabi Ayivi, Mary-Cynthia

hinten: Benjamin, Martins, Tochukwu, Promise, Avocado






Benjamin hat vor wenigen Tagen seinen 24. Geburtstag gefeiert. Er geht mit großem Ehrgeiz nach der Sommerpause in die Vorbereitungen auf sein Abitur. Unter der konsequenten medikamentöscn Therapie hatte er seit vielen Monaten keinen epileptischen Anfall mehr. Wir sind mehr als zufrieden.

Alle Kinder haben das letzte Schuljahr erfolgreich abgeschlossen, alle wurden in die nächste Klasse versetzt, z.T. mit großem Erfolg. Dies haben sie in erster Linie der gesonderten Förderung des Therapeutic Day Care Centers zu verdanken.

Anfang Oktober wird der 5jährige Henry hier einziehen. Er ist Vollwaise und HIV-positiv. Die Schwester seines Vaters hat ihn hier angemeldet, weil niemand wissen soll, dass er das Virus in sich trägt. Sie fürchtet die Stigmatisierung sowohl des Kindes als auch in der Folge ihrer gesamten Familie. Sie selbst übernimmt die Versorgung der zwei älteren Halbbrüder von Henry.

Wenn Henry hier angekommen ist, suchen wir wieder zwei Paten.

Im Frühjahr 2016 hat das bischöfliche Ordinariat in Enugu eine Krankenversicherung ins Leben gerufen. Für alle Kinder wurde ein entsprechender Vertrag abgeschlossen. Durch die Versicherung sind Arztkontakte und Medikamentengabe für ein Jahr abgedeckt. Allein für Benjamin bedeutet dies eine enorme Kostensenkung.

Chioma ist zwar keines der Kinder, sie gehört aber durch ihre Tätigkeit zwangsläufig in diesen Themenbereich. Während der nun mehr als zwei Jahre währenden Zusammenarbeit wurde deutlich, wie engagiert sie ihre Arbeit ausführt, wie intelligent und neugierig sie ist und mit wie viel Empathie sie den Kindern und ihren mannigfaltigen Besonderheiten begegnet. Sie litt sehr unter dem Umstand, dass sie zwar eine abgeschlossene Schulausbildung hat, jedoch keinen Beruf. Um das zu ändern, wird sie ab Oktober berufsbegleitend die Fachschule für soziale Arbeit des Caritasverbandes Enugu besuchen. Die Schule ist in Emene, so dass sie problemlos morgens hin- und am Nachmittag wieder zurückkommen kann. Während dieser Zeit werden auch die Kinder in der Schule in Enugu sein. Am Nachmittag werden sie ungefähr zeitgleich wieder zu Hause eintreffen. Sie kann sich durch die Ausbildung das nötige Fachwissen im theoretischen Bereich aneignen, um im sozialen Sektor zu arbeiten. Langfristig ist geplant, dass Chioma die Leitung des Hauses „Nno“ übernimmt. Zumindest für den Moment ist meine Nachfolge also gesichert.

Küche:

Dieses Projekt ist nun fast vollständig abgeschlossen. 

Eine Ergänzung haben wir noch vorgenommen durch die Fertigung eines Gemüsefaches. So können wir nun Kartoffeln, Yams und Kasava zwar nicht kühl, aber dunkel und luftig aufbewahren.  

In Deutschland habe ich noch eingekauft, u.a. eine kleine Gefriertruhe. Anfang Oktober wird alles zusammen mit wertvollen geschenkten Gütern für das Krankenhaus und den schulischen Bereich in einem Container auf die Reise geschickt und kommt hoffentlich noch vor Weihnachten hier an. 

Die Fliese aus der Majolika-Manufaktur Karlsruhe habe ich in meinem Gepäck mitgebracht (siehe „Echt gut“). Sie wurde inzwischen an dem dafür freigehaltenen Platz aufgehängt und bringt noch mehr Farbe in unsere fröhliche Küche.













Hühnchen und Hähnchen:

Direkt nach meiner Rückkehr habe ich einen Anbau in Auftrag gegeben. Adam, Eva und ihr Nachwuchs haben nun eine eigene Residenz. Ihr bisheriger nächtlicher Schlafplatz in der Waschküche gehört damit der Vergangenheit an. Sie haben den Umzug begeistert mitgemacht. Chioma wird in den nächsten Tagen drei Legehennen kaufen. Dann wird vermutlich auch der lange gehegte Traum vom eigenen Frühstücksei Realität.











Bild: Zweitwohnsitz - eine von Evas Töchtern hat sich in ihre Leseecke zurückgezogen








Emene und Umwelt:

In dieser Hinsicht bin ich leider noch keinen Schritt weiter gekommen, obwohl sich inzwischen auch in Nigeria die katholische Kirche eingeschaltet hat, der Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus folgend. Aber wie so oft wird hier geplant, verschoben, erneut geplant, erneut verschoben. Immer sind andere Dinge wichtiger. Das ist extrem frustrierend. Ich bleibe auf jeden Fall am Ball. Eines der Projekte für 2017 hat auch direkten Einfluss auf die Müllentsorgung. Ich bin also zuversichtlich, hier einen „Seiteneinstieg“ zu schaffen.

Augenklinik:

Ab Oktober werden wir die Fahrten auf die Dörfer wieder aufnehmen und bis zum Ende des Jahres noch mehrere Operationen finanzieren. Über diese Aktionen werde ich zum Jahresschluss berichten.

Lepra:

Bei einem Liedermacherabend im Tübinger „Sudhaus“ ist spontan so viel Geld für Olileanya gesammelt worden, dass wir einen Teil davon in den Krankenversicherungsbeitrag für die 12 vormals an Lepra Erkrankten im Camp investieren werden. Ich freue mich sehr darauf, während eines Besuches in den nächsten Tagen über diese Veränderung informieren zu können. Die Gesundheitsfürsorge wird damit grundlegend verbessert.


Bild: ein wunderschöner Abend im Biergarten des Sudhauses in Tübingen













Ergebnis des Deutschlandaufenthaltes 2016 /
Ausblick auf 2017

Auf diese neue Rubrik bin ich besonders stolz. Nach z.T. mehr als einjähriger Vorarbeit besteht für 2017 die berechtigte Hoffnung, dass mehrere Planungen Realität werden.

Über die Vermittlung einer Augenklinik in Herrenberg kam der Kontakt zu den Kindern eines verstorbenen Augenarztes in Bremen zustande. Diese schenkten Olileanya die gesamte apparative Ausstattung und viele Instrumente zur Weitergabe an die Augenklinik des Annunciation Specialist Hospital ein Geschenk der Extraklasse! In den nächsten Tagen wird alles in den Container gepackt und auf den Weg nach Nigeria geschickt. Vermutlich werden wir das Hospital noch vor Weihnachten entsprechend mit lang ersehnten Geräten ausstatten können. Unser herzlicher Dank geht in den hohen Norden Deutschlands!




Bild: Verladung des technischen Inventars der aufgelösten Augenarztpraxis in Bremen.









Ergänzend gab es aus der Schweiz noch einen Defibrilator, eine Spende unseres Vereinsmitgliedes Martina. Auch dies ist ein Gerät, das wir noch nicht im Krankenhaus haben. Danke an „lila“!

Zwei pensionierte Sonderschullehrerinnen aus Tübingen haben uns wertvolles Material didaktisches Material geschenkt und mich im Rahmen eines speziellen Einzelunterrichts in die Geheimnisse des Umgangs mit Kindern mit Lernschwierigkeiten eingeführt. Das Material ist so umfangreich, dass ich einen Teil an das Therapeutic Day Care Center weitergeben werde. „Vergelt’s Gott“ an diese beiden tollen Frauen nach Tübingen!

Für den Februar 2017 hat sich die Projektgruppe von KuKuk angemeldet. Bereits 2015 hatte diese Firma aus Stuttgart (siehe http://www.zumkukuk.de)  angeboten, in Emene auf ehrenamtlicher Basis einen Kinderspielplatz zu errichten. Bald ist es also so weit. 

Bild: Dieser inzwischen geschlossene Albtraum wird entfernt.









Bild: Hier entsteht bald der neue Spielplatz.









Initiiert wurde das Ganze durch Frau Eva Strehl aus Weinheim, eine ebenfalls im ehrenamtlichen Sektor extrem rührige Frau. Auch ihr versichere ich: vielen, vielen Dank für die Vermittlung! Wir werden jetzt anfangen, das für den Spielplatz vorgesehen Gelände entsprechend vorzubereiten. 

Selbstverständlich werden Arbeitskräfte aus der Umgebung beschäftigt, allen voran unser Haus- und Hofschreiner Maxwell, der sich sehr auf die Herausforderung freut.

Für das Frühjahr 2017 hat sich eine Zahnärztin aus Bühl/Baden angekündigt. 

Bild: Frau Dr. Holst und ihre Dental-Unit

Sie wird mit zwei HelferInnen und einer voll funktionsfähigen zahnärztlichen Praxis in Form eines Koffers(!) hier anreisen. Mein Sohn Stefan und ich durften diesen Zauberkoffer bereits in natura besichtigen und sind sehr, sehr beeindruckt. Frau Dr. H. wird voraussichtlich 2 Wochen lang mit uns auf die entlegenen Dörfer fahren, um dort Sprechstunden abzuhalten. Auch diese Vermittlung resultiert durch das Engagement von wunderbaren Freunden aus Deutschland (liebe A., ihr wisst, wie hoch ich das schätze!).




Ab Ende Juni bis zum 07.07.2017 wird es im Café am Känzele in Rottweil eine kleine Ausstellung mit Gemälden meiner Freundin Rosemarie Schinzler (http://www.galerie-ros.de ) geben. Sie schenkt Olileanya eine Auswahl ihrer Werke. Der Erlös aus dem Verkauf geht an den Verein.




Aus Mannheim wird das Team von Enactus der Universität nach Emene kommen.

Bild: Treffen mit zwei Mitgliedern des  Enactus-Teams der Universität Mannheim

Es hatte beim Ehrenamtswettbewerb des Landes Baden-Württemberg im letzten Jahr ebenfalls einen Preis bekommen, und zwar in Sachen „Aufbereitung von Wasser zu Trinkwasser“. Meine Kontaktaufnahme zu den Studenten war erfolgreich, sie bereiten sich darauf vor, in Emene eine solarbetriebene Filteranlage zu bauen und haben noch andere, ausgesprochen spannende Ideen im Gepäck, auch das Thema Umwelt betreffend. Wir werden später näher darüber informieren.

Und als vorerst letzter Baustein wird Mary Cynthia ab Oktober 2017 nach entsprechender Vorbereitung eine Ausbildung zur Krankenschwester am Krankenhaus Oberndorf/Neckar beginnen. Die administrativen Dinge sind aufwendig und schweißtreibend, aber wohl nicht zu vergleichen mit dem Berg, den Mary Cynthia durch das Erlernen der deutschen Sprache erklimmen muss. Da sie jedoch ein klares Ziel vor Augen hat, wird sie das schaffen. Ich möchte der Verwaltung und der Krankenpflegeschule des Krankenhauses Oberndorf herzlich für ihre spontane Bereitschaft danken, sich auf dieses Arrangement einzulassen. Wir freuen uns!!!

Bild: Nachwuchsförderung - Marycynthia zeigt Chichi und Mmesoma, wie man stricklieselt ...








und hier das Ergebnis.













Was gibt es sonst noch im Südosten Nigerias?

Das hier-ankommen war dieses Mal sehr, sehr schwierig. In meiner Abwesenheit hat sich die Situation im Alltag drastisch verschlechtert. Die Teuerungen in allen Bereichen sind enorm, die Transportkosten treiben auch alle anderen Kosten des täglichen Bedarfs in astronomische Höhen. In Enugu und Umgebung laufen psychisch kranke Menschen z.t. nackt. Dabei ist es in der Regenzeit auch tagsüber, vor allem aber nachts empfindlich kalt. Es ist schwer auszuhalten, sich das anzuschauen. Vor allem nach den Monaten im geordneten Deutschland ist die völlige Planlosigkeit der verantwortlichen Entscheidungsträger doch sehr frustrierend. In der Zeitungen sind Verlautbarungen der Politiker zu lesen: man lebe in schwierigen Zeiten, der Hunger werde zunehmen. Aber man sei dabei, die Probleme zu lösen, alles werde gut – irgendwann

Im Dorf von Benjamin gibt es seit Dezember 2015 keinen Strom. Der Transformator ist defekt, niemand kommt, um ihn zu reparieren. Inzwischen kostet es 20 Naira, um ein Handy aufzuladen, 50 Naira, um eine Taschenlampe aufzuladen. Diejenigen, die sich noch Diesel leisten können, machen ihr Geschäft mit den Bedürfnissen der anderen. Im Moment sind die Farmer die Gewinner, weil sie Nahrungsmittel vor Ort zu überhöhten Preisen verkaufen können. Im Norden des Landes sterben die Menschen bereits an Unterernährung. Aber auch auf den Dörfern hier in der Region gibt es nicht genug zu essen. Die Frauen haben wegen der Probleme mit den Foulani Angst, auf die weit vom Dorf entfernten Felder zu gehen. So bauen sie lediglich auf den kleinen Flächen rund ums Haus an. Junge Yamssetzlinge sind teuer und zum Teil für die Frauen unerschwinglich, wegen der einseitigen Ernährung werden vermehrt entsprechende Krankheiten auftreten.

Promise, der während der Sommerferien einige Wochen bei seiner Großmutter auf dem Dorf war, berichtete nach der Rückkehr, er habe nicht genug zu essen bekommen. Wir werden seine Besuche bei der Familie künftig auf wenige Tage beschränken müssen, um ihn vor gesundheitlichem Schaden zu bewahren. Die Folge wird eine Entfremdung von seinen Angehörigen sein. Ein Teufelskreis baut sich auf.

Als Kontrastprogramm hat Mrs. Jonathan, die vormalige Präsidentengattin, die Stirn, die Freigabe von 15 Mio. Dollar auf einem eingefrorenen Konto gerichtlich einzufordern – Geld, das sie in ihrer Funktion als Ehefrau irgendwie beiseite geschafft hat; alle um mich herum formulieren es so: „Sie hat es gestohlen.“

Ihr seht / Sie sehen: wir leben in schwierigen Zeiten. Um so bewegender ist der Überlebenswille der Einheimischen und ihr Kampfgeist: „Wir werden das schaffen. Wir haben auch den Biafra-Krieg überstanden. Wir sind nicht verwöhnt.“ Ohne falsche Bescheidenheit wage ich zu behaupten: die Anwesenheit von Olileanya und die vorsichtigen Schritte in eine andere Richtung, die hieraus resultieren, ermutigen meine nächste Umgebung, vermittelt Hoffnung, dass Veränderungen möglich sind. Nicht von heute auf morgen, aber mittel- und langfristig.

Zum Schluss noch eine Anmerkung: Um in die Welt, in der ich lebe, einen besseren Einblick zu bekommen, empfehle ich wärmstens einen Artikel aus der Reihe GEO-Reisen des Autors David Singer.  Der Link hierzu http://www.geo.de/reisen/reisewissen/8800-rtkl-vom-fluch-der-magie


Emene, 27.09.2016

Herzliche Grüße nach Deutschland / Österreich und die Schweiz – Eure / Ihre Gabriele Ayivi 

Bild: leider kann ich den wunderbaren Duft dieser Blüte aus unserem Garten nicht mitliefern










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Brief von Gabi Ayivi vom 21.5.2016

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

seit dem letzten Rundbrief ist bereits wieder ein viertel Jahr vergangen. Die Regenzeit hat begonnen, was große Erleichterung bringt. Die mächtigen, meist nächtlichen Gewitter kühlen wunderbar. Da nehme ich die hohe Luftfeuchtigkeit, die einen steten Feuchtigkeitsfilm auf die Haut legt, gerne in Kauf.

Im März bekam ich völlig unerwartet Besuch einer Krankenschwester aus dem Schwabenland. Es war wie ein Weihnachtsgeschenk! Waltraud O. hatte über einen Artikel im Tübinger Schwäbischen Tagblatt von OLILEANYA gelesen und nahm die Gelegenheit während eines Aufenthaltes in Nigeria wahr, zwei Wochen lang bei uns zu leben und uns in unserem Alltag zu begleiten. Für mich war es sehr schön, jemandem aus meinem eigenen Kulturkreis das Leben hier näher zu bringen. Die täglichen Belastungen und Herausforderungen sind allein durch Mails, Telefonate und auch Gespräche nur schwer zu vermitteln. So kann Waltraud nun als weiteres Sprachrohr dienen. Wir hoffen sehr, dass sie uns nach ihrer Berentung möglichst oft besucht!


Nno und seine Kinder:

Umwälzendes hat sich getan in diesen drei Monaten, zwei der im Februar gemachten Aussagen muss ich grundlegend korrigieren:

  • Es gibt eine Förderschule in Enugu, von der ich über Umwege endlich Kenntnis erhielt. Mein Besuch in einer von mehreren sog. Montessori-Schulen Enugus war hier sehr hilfreich. Die noch sehr junge Rektorin gestand mir eher verlegen, dass ihre Schule zwar diesen Namen trage, dass sie aber nicht in vollem Umfang der Idee der Montessori-Pädagogik folge. Wie so oft wurde das Argument vorgebracht, dass so was in Nigeria mit nigerianischen Kindern nicht funktioniere. Im großen und ganzen halte man sich an die Vorgaben des nigerianischen Schulsystems, bringe aber einige Montessori-Ideen mit ein. Wie ich inzwischen herausgefunden habe, gibt es mindestens vier Schulen in Enugu mit diesem offensichtlich werbewirksamen Namen. Hier kommt es offensichtlich auf die Verpackung an, nicht jedoch auf den Inhalt.

    Die Schulleiterin war der Ansicht, dass die Kinder von Olileanya an ihrer Schule nicht entsprechend gefördert werden könnten. Immerhin war sie so offen. Sie gab mir aber die Adresse einer anderen Förderschule, die von einer Frau aus Europa geleitet werde. Ich solle mich doch mal dorthin wenden. Das habe ich umgehend gemacht und traf dort zu meiner großen Verblüffung auf eine Deutsche, die seit 38 Jahren mit ihrem nigerianischen Mann in Enugu lebt und diese Schule mit integrativem Charakter aufgebaut hat. Die Freude war beiderseitig, nach mehreren weiteren Gesprächen und einem Aufnahmetest gehen die Kinder seit dem Ende der Osterferien in die neue Schule. Es gibt spezielle Fördereinheiten, bei Bedarf 1:1-Betreuung und ein stets offenes Ohr für die Bedürfnisse der Kinder. Wie so oft hat alles Schöne auch einen kleinen Haken: die Schule ist weit entfernt, es muss ein täglicher morgendlicher Transfer mit dem Auto zur Haltestelle des Schulbusses absolviert werden, am frühen Nachmittag hole ich sie wieder dort ab. Die Vorteile des Schulwechsels sind jedoch so groß, dass ich diese Mühe gerne in Kauf nehme. 

  • Inzwischen habe ich mehrere Studien gelesen zum Thema „Kinder mit HI-Virus“, zwei sogar aus Nigeria. Nicht die Medikamente seien verantwortlich für die zum Teil schweren kognitiven Störungen, sondern das Virus selbst, und zwar bei Kindern, die nicht unmittelbar ab Geburt entsprechend der Diagnose behandelt wurden. Alle Studien sprechen von irreparablen Schäden, Frau Enigbo, die Schulleiterin, ist zuversichtlich, durch gezielte Förderung hier einiges auffangen zu können. Auf jeden Fall profitieren die Kinder bereits jetzt durch die erhöhte Zuwendung und die entspannte Atmosphäre im Therapeutic Day Care Center (TDCC Enugu).


Martins und Tochukwu konfrontieren uns zur Zeit mit einer ausgeprägten pubertären Phase – anstrengend, anstrengend! Ich hoffe, dass dies so schnell wie möglich der Vergangenheit angehört.

Nach wie vor konnte sich für Aaron kein Pate finden, was ich sehr, sehr traurig finde. Der Pate vonTochukwu, dem Jungen mit dem amputierten Arm, muss seine Zuwendungen aus finanziellen Gründen beenden. Es wäre sehr schön, wenn sich für beide Kinder unterstützende Personen finden würden.

Bild: Aaron







Küche:

Wir haben fertig, und zwar lange vor Ostern! Die Handwerker haben uns enorm überrascht. Vor allem der Maler und der Schreiner haben hervorragende Arbeit abgeliefert. So langsam wissen wir auch, was wir in welcher Schublade unterbringen wollen. Nach zwei Jahren des Verstauens in diversen Themen-Kartons macht das riesigen Spaß. Auch die tägliche Arbeit unter den veränderten Bedingungen ist wunderschön. 

Vor allem Vivian und Aaron helfen mit großem Engagement beim Kochen. Letzte Woche haben wir unsere Mango-Marmelade-Koch-Orgie abgeschlossen, die Regale sind gut gefüllt und werden uns für die nächsten Monate einen süßen Brotaufstrich zum Frühstückskaffee garantieren.








Hühnchen und Hähnchen:

Auch hier hat sich einiges getan. Eva ist seit Ostern wieder stolze Mama von sieben Küken. Dieses Mal hat sie auf ihre Kinder wesentlich besser aufgepasst – alle sind noch am Leben und inzwischen schon richtig groß. Adam II. ist ein aufopferungsvoller Vater, der sich von seinen Sohnen / Töchtern sogar auf dem Rücken herumtanzen lässt. Leider sind diese erheiternden Momente so kurz, dass ich sie bisher nicht im Bild einfangen konnte.


Emene und Umwelt:

Eigentlich müsste ich ein biblisches Alter erreichen, um die angedachten Unternehmen in die Tat umzusetzen. Immerhin wurde ich am 18. April in Nsukka an der Universität vorstellig, um mich nach den Möglichkeiten einer Wasseranalyas zu erkundigen. „Kein Problem“, wurde mir versichert. Man zeigte sich begeistert über das Interesse der Oni Ocha (weißen Frau). Und dann kehrte wieder Ruhe ein. Ein Anruf heute informierte mich darüber, dass alles am Laufen sei. Man werde sich mit mir in Verbindung setzen, um entsprechende Proben zu entnehmen. Ich hoffe, dass dies noch vor meinem Sommeraufenthalt in Deutschland ab dem 26.06. stattfindet.


Augenklinik / ASH:

Das Engagement in der Augenklinik bzw. grundsätzlich im Annunciation Specialist Hospital ist mit der größte Zeitfaktor meiner täglichen Arbeit. In den letzten Wochen haben wir alleine die Finanzierung von 7 Augenoperationen, einer Vielzahl von Medikamenten und einer notfallmäßigen stationären Behandlung übernommen.

In einem ganz speziellen Fall betreuen wir einen 20Jährigen seit Mitte Februar hier im Haus, um eine optimale Vorbereitung vor den Operationen beider Augen und die entsprechende Nachsorge sicherzustellen. Er litt von Geburt an an einer Starerkrankung, die zur fast völligen Erblindung führte. Ohne Operation hätte er innerhalb der kommenden Monate sein Augenlicht völlig verloren. Was zunächst als Maßnahme für wenige Wochen gedacht war, dauert nach wie vor an. Vor allem die Versorgung der Augen nach den Operationen ist sehr anstrengend: alle zwei Stunden müssen rund um die Uhr Augentropfen verabreicht werden. Chidubem – so sein Name – kam aus völlig verwahrlosten Umständen zu uns. Erst seit er eine Uhr lesen kann, ist er in der Lage, sich tagsüber seine Medikation selbst zu tropfen. Ich hoffe zuversichtlich, dass die Nachsorge in den nächsten drei Wochen abgeschlossen werden kann. Es ist geplant, dass er anschließend bei einem Farmer in der unmittelbaren Nachbarschaft eine Arbeit aufnimmt.


Die Augenoperationen verliefen sämtlich erfolgreich, die schwerkranke junge Frau mit einem letztlich ungeklärten Krankheitsbild ist nach 1 ½ Wochen zu meiner großen Trauer verstorben. Der Tod ist in Nigeria allgegenwärtig. 






Lepra:

Im Camp der ehemals an Lepra Erkrankten wurde die kostenlose Sprechstunde des Augenarztes durchgeführt. Die Freude der betroffenen Menschen war riesengroß. Bei zweien davon wird in der Folge eine Katarakt-Operation durchgeführt werden, einige haben eine Brille verordnet bekommen. Dinge, die in Deutschland selbstverständlich sind, werden hier mit großer Dankbarkeit angenommen. Das hilft sehr dabei, mit den täglichen Belastungen fertig zu werden.


Was gibt es sonst noch im Südosten Nigerias?

Die letzten Monate waren in vielerlei Hinsicht die unruhigsten, seit ich hier lebe. Boko Haram hat an die Türen Enugus geklopft auf eine Art und Weise, die völlig unerwartet kam. Schon immer hatte es z.T. schwere Konflikte gegeben zwischen den Kuhhirten aus dem Stamme der Foulanis, die als Halbnomaden in ganz Nigeria unterwegs sind, und den hier ansässigen Farmern. Oft laufen die Rinder ohne Kontrolle, wo sie wollen und hinterlassen zerstörte Felder. Die Farmer reagieren zuweilen damit, Tiere zu töten, worauf die Foulanis im schlimmsten Fall Häuser der Dorfbewohner anzünden. Im großen und ganzen lebte man jedoch friedlich nebeneinander. Diese Situation ist vor einigen Wochen schwer eskaliert. Foulanis fielen in großen Gruppen aus dem Norden in Dörfer des Staates Enugu ein, bewaffnet mit Maschinengewehren, zerstörten großflächig die Felder und töteten in einem Fall 45 Dorfbewohner. Für einige Tage war die Stimmung sehr aufgeheizt. Die Menschen hier gehen davon aus, dass Boko Haram sich auf diese Weise hier einschleust. Im Moment laufen Verhandlungen mit den Foulani-Häupflingen und dem Governor von Enugu um Schadensersatzforderungen.

Staatspräsident Buhari, selbst Foulani, heizt darüber hinaus die Stimmung um die Bestrebungen nach Selbständigkeit Biafras an. Er ließ in einer Ansprache im Norden Nigerias verlauten, dass er dies unter seiner Herrschaft nicht dulden werde. Gegenüber den Einwohnern im Südosten sprach er eine Warnung aus: Es sei besser „für das gesamte Land, Massenselbstmord (durch Ertrinken) zu begehen, als zu erlauben, diese Kampagne fortzusetzen“ (Daily Sun, 10.05.2016). Es sei auch nicht im Interesse Nigerias, dass Biafra sich abspalte. Dies ist aus Sicht der Regierung durchaus nachvollziehbar, liegen doch die Ölvorkommen Nigerias genau in diesem Gebiet.

All diese Probleme werden im Moment jedoch überlagert durch eine anhaltende Krise in der Treibstoffversorgung: über Wochen gab es entweder gar kein Benzin oder zu stark erhöhten Preisen. Der offizielle, staatlich festgelegte Preis von 89 Naira per Liter – umgerechnet aktuell ca. 39 Cent – wurde an den oft privaten Tankstellen auf Wucherpreisen von bis zu 250 Naira (ca. 1,10 €) erhöht. Die staatlichen Tankstellen waren dagegen über Tage hinweg geschlossen, weil es angeblich kein Benzin gab. Wenn sie dann mal öffneten, bildeten sich endlose Staus, die Autofahrer warteten manchmal über Nacht und viele Stunden den Tag über, um zu tanken. Parallel hierzu erhöhen sich natürlich auch alle anderen Lebenshaltungskosten: der Transport von Lebensmitteln wird teurer, Fahrten mit Bus, Taxi und den dreirädrigen Kekes steigen je nach Betreiber in astronomische Höhen, der Preis für Lebensmittel auf dem Markt verdoppelt sich teilweise. Vor wenigen Tagen verkündete Herr Buhari nun, den Preis für Benzin offiziell auf 145 Naira (0,61 €) festzulegen. Das wäre für viele Gewerbetreibende eine Katastrophe, sie können sich Nebenkosten in dieser Höhe nicht leisten. Streiks sind angekündigt, die Gewerkschaften fordern ihre Mitglieder auf, sich mit Lebensmitteln zu bevorraten. Auf den Straßen ist es ungewohnt ruhig, alle verharren in einer abwartenden Haltung.

Wie immer herrscht jedoch grundsätzlich eine heitere Stimmung. Heute Morgen wurde mir, gerade richtig zu diesem Rundbrief, eine sehr nette Episode angeliefert: ein junger Mann habe in Anambra-State in einem offiziellen Brief geschrieben: „Mr. Buhari R.i.P.“. Er sei abgeholt und zur Polizei gebracht worden. Herrn Buhari sozusagen in den Himmel zu schicken, wurde als unerhört betrachtet. Der junge Mann erkundigte sich, was die ganze Aufregung solle. Befragt nach der Bedeutung des R.i.P. habe er sehr gelassen geantwortet: „Remain in power.“

Es sieht so aus, dass zumindest bis jetzt der Humor der Menschen noch nicht unter den desolaten Umständen gelitten hat. Ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt.

Gott sei Dank werden die Sorgen des Alltags durch sehr schöne Ereignisse aufgefangen: vor wenigen Wochen durfte ich mit „meinem“ Maler seinen Großvater auf dem Dorf besuchen. Die Erinnerung an solch besondere Tage helfen sehr, schwierige Zeiten durchzustehen.

Im Moment bereite ich mich auf den diesjährigen Deutschlandaufenthalt vor. Am 26.06. werde ich dort ankommen, um sehr bald mit Informationsveranstaltungen zu beginnen. Diese führen mich dieses Jahr nach Bingen (04.07.), Salmendingen, Reutlingen (jeweils 09.07.), Tübingen (12.07.) und Villingen (26.07.). Weitere Termine sind für Rottweil und Jestetten in Planung, liegen aber noch nicht endgültig fest. Sollten Sie ebenfalls Interesse haben, können Sie sich gerne noch melden. Ich informiere auch über entsprechende Einzelheiten.


Ganz zum Schluss möchte ich noch einer großen Freude Ausdruck verleihen: Erst vor wenigen Tagen wurde mir bewusst, dass für mich nahezu unbemerkt in all dem Trubel OLILEANYA im Juli 2016 fünf Jahre alt wird – wie ich meine, ein Grund zum Feiern und zu großer Dankbarkeit. Ich habe etwas gewagt und unendlich gewonnen. Der Verein wächst und blüht, nicht gewaltig, aber langsam und beständig. So habe ich das gerne. Ihnen/Euch allen danke ich für die Unterstützung finanzieller und emotionaler Art. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.



Herzliche Grüße aus Emene – Gabriele Ayivi



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Brief von Gabi Ayivi vom 22.2.2016

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

ein neues Jahr hat begonnen und ist auch bereits wieder 6 Wochen alt. Die Zeit vergeht wie im Flug... Und im Verlauf dieser Zeit treten neue Herausforderungen zutage, werden neue Probleme offensichtlich.

Nno und seine Kinder:

Die Kinder wachsen und gedeihen, nehmen an Gewicht zu. Wie in jeder Familie mit vielen Mitgliedern gibt es vieles an Auf und Ab. Täglich werde ich damit konfrontiert, dass jedes der Kinder unter anderen Bedingungen groß geworden ist und damit seine eigenen Verhaltensmuster mitbringt. Viel problematischer ist jedoch die Erkenntnis, dass die kognitiven Leistungen der HIV-positiven Kinder durch das Virus grundsätzlich, in Folge aber auch durch die Medikation erheblich gestört sind. 

Aaron*, der dazu noch hyperaktiv ist, leidet besonders darunter. Er ist zwar hochmotiviert, fängt aber jeden Tag mühsam von vorne an, zum Beispiel die Großbuchstaben zu benennen. Neu hinzugekommen sind jetzt die kleinen Buchstaben, was eigentlich jeden Rahmen sprengt. Schließlich gibt es noch Rechenaufgaben, die Fremdsprache Englisch und Zeit zum Spielen sollte ja auch noch vorhanden sein. 

Chioma, die sich täglich mehrere Stunden Zeit nimmt, um ihn und seine Schwester mit einer nie endenden Geduld und großem Engagement zu unterrichten, bastelt ihr eigenes Unterrichtsmaterial. Die nur unzureichend ausgebildeten Lehrerinnen scheinen diese Herausforderung nicht annehmen zu wollen. Sie haben die Kinder bereits als „blöd“ eingeordnet und schenken ihnen keine Aufmerksamkeit mehr. (*Aaron kam als „Israel“ zu uns. Erst durch seine Taufurkunde wurde klar, dass ihm dieser Name in der Familie seines Onkels vom Cousin verpasst worden war, dem „Aaron“ nicht gefiel. Wir folgen jedoch dem erklärten Wunsch seiner Eltern und nennen ihn bei seinem richtigen Namen.) Leider hat sich für ihn nach wie vor niemand als Pate gefunden. Deshalb höre ich nicht auf, für diesen sehr liebenswerten und pfiffigen kleinen Burschen zu werben!

Was mich darüber hinaus frustriert, ist die Erkenntnis, dass sich auch sonst nur wenige Menschen in verantwortlicher Position um die Zukunft dieser Kinder kümmert. Für die „westliche Welt“ existiert das Problem nicht. Es gibt – Gott sei Dank! – sehr wenig Kinder im deutschsprachigen Raum, die HIV-positiv sind. Von einem Arzt aus Österreich bekam ich dankenswerterweise Literatur zu diesem Thema. Damit habe ich inzwischen an verschiedene Türen geklopft, um Gehör zu finden. In Nigeria wäre es dringend erforderlich, entsprechende Untersuchungen in die Wege zu leiten. Es fehlt jedoch – wie so oft – am Interesse und am Geld. Heute, am 22.02., konnte ich endlich in vorerst telefonischen Kontakt kommen mit einem in diesem Bereich tätigen nigerianischen Arzt. Ich bin sehr froh, in ihm einen kompetenten Ansprechpartner zu haben – er wiederum ist sehr angenehm überrascht, dass sich jemand für dieses sehr schwierige Thema interessiert. Problematisch ist, dass es in Enugu keine Förderschulen gibt für Kinder, die nicht in das vorgegebene Raster passen. In Enugu gibt es eine Montessori-Schule, die ich morgen besuchen werde. Vielleicht tut sich hier eine Möglichkeit auf, die Kinder entsprechend ihrer Besonderheiten zu unterrichten.

Abgesehen von der Beeinträchtigung im schulischen Bereich, sind die beiden Jüngsten im Alltag ausgesprochen fit und sehr fröhlich. Mit den geschenkten Legosteinen, die sich als wahrer Segen herausstellen, spielen sie sehr ausdauernd und errichten fantasievolle Konstruktionen

Es gibt noch mehr Positives zu berichten: Martins Auge hat sich auch ohne operativen Eingriff erfreulich gebessert. Er muss zwar immer wieder daran erinnert werden, seine Brille zu tragen, wird aber immer kooperativer. Leider werden kleine Fortschritte durch die äußeren Umstände immer wieder vernichtet: in den Weihnachtsferien war er in der Küche seiner Mutter dem offenen Feuer der Herdstelle mit der entsprechenden Rauchentwicklung ausgesetzt. Prompt kam er mit einer schweren Augenentzündung wieder nach Emene zurück. Ursache und Wirkung und Zusammenhänge sind grundsätzlich noch schwer zu vermitteln.


Küche:

Der Ausbau der Küche wurde inzwischen in Angriff genommen. Bereits im Dezember habe ich einen Gasherd mit Backofen gekauft, der Elektriker hat eine vernünftige Lampe über der künftigen Arbeitsplatte angebracht und weitere Steckdosen montiert. Der Fliesenleger hat seine Arbeit erledigt, als nächstes ist der Maler am Zug. Wir werden eine Fertigstellung sicherlich nicht zu Ostern bewältigen können. In den zwei Jahren meines Hierseins habe ich aber gelernt, mich nicht mehr auf zeitliche Vorgaben einzulassen. Die Küche ist fertig, wenn sie fertig ist. So lange kann ich mich darüber freuen, dass wenigstens etwas vorwärts geht!


Hühnchen und Hähnchen:

Die neuesten Mitglieder unserer Großfamilie hatte ich ja bereits auf der Website vorgestellt. Leider war ich in meiner Begeisterung ein wenig voreilig. Inzwischen mussten wir nämlich leider einen dramatischen Schwund verzeichnen. Zuerst verließ Adam Nr. 1 in einem unbewachten Moment das Grundstück und ward seither nicht mehr gesehen. Eva brütete von ihren sechs Eiern nur drei erfolgreich aus. Bei einem ihrer Ausflüge brachte sie nur zwei Küken wieder mit nach Hause. Das dunklere davon stellte sich als sehr wagemutig heraus und liebte das Wasser über alles, was ihm letzten Endes zum Verhängnis wurde. Die Kinder hatten einen gefüllten Eimer unbewacht stehen lassen... So blieb uns nur noch ein Küken übrig, das von seiner Frau Mama mit Argusaugen bewacht wird. Chioma sieht es nüchtern: „Sie wird wieder brüten.“ Inzwischen haben wir ihr nämlich Adam Nr. 2 zur Seite gestellt, der nur sehr selten Ausflüge in die große weite Welt unternimmt.


Emene und Umwelt:

Hier wird die in Nigeria konsequent gelebte Entschleunigung am meisten deutlich. 

 Ich habe inzwischen zwar die Adresse einer Recycling-Firma in Lagos erhalten, die sich vage für das Projekt in Emene interessiert. Vermutlich werde ich an nähere Informationen aber nur dann herankommen, wenn ich selbst nach Lagos zu dieser Firma fahre – für mich ein Riesenunternehmen. Wenn es möglich ist, werde ich dieses Unterfangen im März in Angriff nehmen in Begleitung eines Nigerianers. Alleine getraue ich mich nicht in diese Stadt des Chaos! Zeitgleich möchte ich dann auch Werbung für Olileanya bei der Deutschen Botschaft machen.


Augenklinik:

Im Januar haben wir wieder damit begonnen, Patientinnen und Patienten auf den Dörfern zu besuchen. Ab Ende Februar findet ein vierwöchiges Angebot des Annunciation Specialist Hospitals statt, sich kostenlos einer augenärztlichen Untersuchung und Behandlung zu unterziehen. Parallel dazu werden auf den abgelegenen Dörfern Sprechstunden einer hierfür ausgebildeten Krankenschwester durchgeführt. 

Es ist sehr deprimierend, im größten Industriestaat Afrikas der allgegenwärtigen bitteren Armut zu begegnen. Gestern waren wir in der Hütte einer Frau, die bereits vor 2 Jahren einmal untersucht worden war. Damals war ein grüner Star beider Augen festgestellt worden, eine kontinuierliche Behandlung hatte nicht mehr stattgefunden. Inzwischen sind sowohl ihr Mann als auch ihr einziger Sohn verstorben. Eine Tochter lebt in Enugu, hat aber auch keine Mittel, die Mutter zu unterstützen. Sie wird von der übrigen Dorfgemeinschaft mit durchgefüttert: durch die Erkrankung kann sie keine Farmarbeit mehr verrichten, kann also weder für sich selbst Nahrung anbauen noch von ihren Produkten etwas verkaufen. 


Es gibt in der Lehmhütte kein Bargeld, als einzige Nahrungsmittel finden sich zwei Zwiebeln. Von solchen Fahrten kehre ich jedes Mal voller Trauer zurück. Einziger Trost: durch die Spenden aus Deutschland können sowohl medikamentöse Therapie als auch eine Operation für sie und einen 20jährigen Vollwaisen finanziert werden. Dieser hält sich zur Vorbereitung auf die Operation derzeit bei uns auf. Nur so ist es gewährleistet, dass er die verordneten Medikamente regelmäßig einnimmt. Die Kinder nehmen solche Gäste bereitwillig in ihrer Mitte auf.


Lepra:

Als ob das mir bisher bekannte Ausmaß an Krankheit, Ausgrenzung und Armut nicht bereits übererfüllt wäre, wurde ich vor wenigen Wochen über die Existenz eines Camps am äußersten Rand von Emene informiert, in dem ehemals Lepra-Kranke mit ihren Familien leben. Die aus Irland stammenden Mönche, die zum Teil mit diesen Menschen lebten, hatten nicht mehr ausreichend Nachwuchs und zogen sich dadurch aus Emene zurück. Wie zu biblischen Zeiten sind die vormals Kranken auch nach ihrer erfolgreichen Behandlung „aussätzig“, werden von der Gesellschaft isoliert und leben zum Teil seit Jahrzehnten in diesem Camp. 

Sie haben keine Chance, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, da niemand sie einstellen würde. Damit sind sie abhängig von der Wohlfahrt der Kongregation der Marist-Brothers, die ursprünglich aus Frankreich kommen, nun aber weltweit in der Schularbeit tätig sind. Insofern ist das Engagement für die vormals Leprakranken sehr am Rand ihrer Bemühungen angesiedelt. Nach wie vor kommen neu Infizierte hinzu, die sich nicht rechtzeitig in ärztliche Behandlung begeben haben. Nach Gesprächen mit einem Arzt sterben viele untherapiert und unerkannt im familiären Umfeld. Vor wenigen Wochen waren wir erstmals seit Jahren mit einem Arzt bei der Gruppe von 12 vormals kranken Menschen mit ihren Angehörigen. Ich habe das Angebot gemacht, sie in die kostenlose augenärztliche Behandlung der kommenden vier Wochen einzugiiedern.

Was gibt es sonst noch im Südosten Nigerias?

Nach wie vor ist Boko Haram zwar im Fernsehen ein großes Thema. In Enugu jedoch sind Auswirkungen nur insofern zu bemerken, als immer mehr Menschen wieder in den Südosten zurückkehren, um sich in Sicherheit zu bringen.

Vor Ort spielt seit einigen Monaten das Engagement für einen eigenständigen Staat Biafra eine wesentliche Rolle. Per Memorandum war bereits vor Jahren vereinbart worden, dass dieses Thema im Jahr 2014 von seiten der Regierung wieder aufgegriffen wird. Allerdings ist es dazu bisher noch nicht gekommen. Die politischen Gremien des Südostens haben nun ein Referendum beantragt, das von der EU unterstützt wird. Ausdrücklich wird in einer Stellungnahme der EU vom Januar 2016 die Forderung der OEAS (= Organisation für Entwicklung von afrikanischen Staaten) darauf hingewiesen, dass hierfür alle gewaltfreien Mittel eingesetzt werden können wie Generalstreiks , wirtschaftliche Boykotte, Arbeitsaktionen , Demonstrationen, Klagen und ziviler Ungehorsam. Obwohl Herr Buhari vor Kurzem öffentlich in den Medien und durch Mitteilungen auch nach Europa verlauten ließ, dass die Menschenrechte in Nigeria unter seiner Führung eingehalten würden, werden Demonstrationen zum Teil blutig niedergeschlagen. 

Vor kurzem fuhr ich an einer solch friedlichen Versammlung vorbei, die kurz darauf mit hohem personellen Aufgebot durch Polizei und Armee gewaltsam aufgelöst wurde. Zwischen öffentlichen Statements des Staatsoberhauptes und der Umsetzung vor Ort tut sich ein tiefer Krater auf. Ich hoffe sehr, dass die politisch Verantwortlichen beider Seiten besonnen genug sind, damit das Bemühen des Volkes von Biafra um Autonomie nicht gewaltsam eskaliert.

Mit der rapide zunehmenden Armut geht einher, dass es auch immer mehr bettelnde Kinder auf den Straßen Enugus gibt. Zum Teil wuseln höchstens 2jährige Knirpse zwischen den an einer roten Ampel wartenden Autos umher. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, noch ein zusätzliches Brot einzukaufen und an der Ampel abzugeben. Dadurch ist wenigstens gesichert, dass ein paar Kinder direkt etwas zu essen haben. Geld nämlich müssen sie abends ohnehin an irgendwelche Erwachsene abliefern.

Eine andere, völlig anders geartete Herausforderung ist im Moment die überwältigende Hitze. Gestern waren es 47°C. Zwar ist es durch die Trockenheit erträglich, dennoch leiden alle unter den herrschenden Temperaturen. Bei der geringsten Bewegung fängt man an zu tropfen. Das Kuriose an der Sache ist: da die Sonne auf den Wassertank knallt, ist ausgerechnet jetzt, da sich jede(r) nach einer kalten Dusche sehnt, das Wasser warm. Dumm gelaufen... Aber wie jedes Jahr wird es auch in 2016 im März wieder losgehen mit den sehnsüchtig erwarteten Regenfällen. Dann werden auch die Nächte wieder erträglicher. Ich bin jedoch weit davon entfernt, zu jammern. Wenn ich Berichte über Schneefall und Kälte höre, bin ich froh, nicht dabei zu sein. Dann lieber patschnass!

Herzliche Grüße in den noch kühlen Norden – Eure / Ihre Gabriele Ayivi

Aktuelle Bilder finden Sie HIER

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Brief von Gabi Ayivi vom 06.12.2015

Liebe Freunde von OLILEANYA, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

eigentlich hatte ich vor, dass der vorige Rundbrief der letzte für das Jahr 2015 sein sollte. Jetzt wurde ich von den Ereignissen überrollt. Mit übergroßer Freude habe ich mitzuteilen, dass mir – und damit allen, die mich begleiten und unterstützen – der Sonderpreis „Lebenswerk“ des Landes Baden-Württemberg im jährlichen Wettbewerb der ehrenamtlichen Arbeit verliehen wurde.

Ein solch langes „Durchhalten“ erfordert Menschen um sich herum, die ermutigen, trösten, aufbauen und zum Weitermachen auffordern. Und solche Menschen hatte ich Gott sei Dank fast immer. Natürlich gab es Durststrecken, viele Anfeindungen mussten verdaut, viel Ablehnung verkraftet werden. Wie ich jetzt erleben darf, hat es sich unterm Strich aber in vollem Umfang gelohnt, einen einmal eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen in der Überzeugung, dass er der einzig richtige ist. 

Nun, in der letzten Station meines Lebens und in Emene angekommen, weiß ich, dass es sich gelohnt hat. In den letzten Tagen im Rahmen des ganzen Trubels um die Preisverleihung und in der Reaktion der Kinder war ich einmal mehr überzeugt davon: hier bin ich richtig, hier gehöre ich her. Den Waisenkindern, die so viele Verluste erleiden mussten und dazuhin noch mit schweren Krankheiten geschlagen sind, kann ich mit Ihrer / Eurer Hilfe eine neue Zuversicht geben. 

Promise, ein sehr zurückhaltender Junge, hat es vor einigen Wochen auf seine Weise formuliert: Er lag im Büro auf dem Boden, als ich am PC saß, hat an die Decke geschaut und nachgedacht. Nach einem längeren Schweigen sagte er: „It is very okay, to be here.“ Sprach’s, stand auf und ging zum Fußballspiel. Mir blieb gerade noch die Zeit, ihm zu antworten: „And it is very okay for me, to have you here!“ 

Oder Vivian, mit der ich seit ihrem Einzug das Büro „teile“ – siehe Foto. Sie wird nicht müde, ein Bild nach dem anderen auf Abfallpapier zu malen, dabei leise zu singen oder vor sich hinzuplappern.  Das sind tägliche Geschenke an mich. 









Das Preisgeld wird in eine Küche investiert. Die ursprüngliche Idee, meine Küche aus Deutschland mit nach hier zu bringen, musste ich verwerfen. Das tropische Klima verträgt sich in keiner Weise mit deutschem Weichholz. Das halbe Jahr über könnten wir Schubladen nicht öffnen. 

So haben wir uns bis jetzt mit einem Provisorium rumgeschlagen in der Hoffnung, dass wir irgendwann mal genug Geld beisammen haben, um nach und nach umzubauen. Mit Hilfe des Landes Baden-Württemberg wird diese Hoffnung nun Realität. Wunnnderbar! 














Dennoch – oder vielleicht auch gerade deshalb – kann ich mich noch lange nicht zurücklehnen. Eigentlich sollten wir dringend expandieren. Um alle Vorhaben sinnvoll auszuführen, brauchen wir schon jetzt mehr Platz. Das heißt, Investitionen sind angesagt. Und um vernünftig planen und umsetzen zu können, brauche ich auch personelle Verstärkung. Von einem Rentnerinnendasein, wie erträumt, kann in keiner Weise die Rede sein. Bei einem sanften Wind unter einem schattenspenden Baum sitzen und Socken stricken? – Fehlanzeige! Das höchste der Gefühle ist, vor dem Haus im Schatten Wäsche zu flicken oder die letzten Handstiche an den genähten Taschen für den Verkauf zu erledigen. Deshalb freue ich mich nach wie vor über jede Spende, alles wird dankbar angenommen und für die Kinder und den weiteren Ausbau von OLILEANYA verwendet. 

Angesichts der mitgeteilten Frohbotschaft möchte ich dieses Mal auf einen konkreten Bericht zur aktuellen Situation im Südosten von Nigeria verzichten und habe stattdessen die aktuellsten Bilder zum Angucken im Programm. Zunächst will ich auch erst mal abwarten, wie sich die momentan angespannte Lage weiter entwickelt. Deshalb schicke ich ein weiteres Mal Wünsche für eine friedvolle Adventszeit und ein gesegnetes und fröhliches Weihnachten – 

Eure dankbare Gabi Ayivi

Aktuelle Bilder aus dem Hause „Nno“ finden Sie hier



Brief von Gabi Ayivi vom 31.10.2015

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützer von Olileanya,

es ist nunmehr ziemlich genau ein Jahr her, dass der kleine Josef als erstes Kind in die Obhut von „Olileanya“ genommen wurde und damit Zeit, Bilanz zu ziehen, was in diesen 12 Monaten alles geschah. Darüber nachzudenken macht deutlich, wie bewegt dieses Jahr war.

Nno und seine Kinder:

Es gab viel Fröhliches, es gab sehr Trauriges, und es gab frustrierende Rückschläge. Bei drei Kindern musste der Plan, sie zu unterstützen, aufgegeben werden. Unsere Möglichkeiten, ihnen die erforderlichen Hilfen zu bieten, sind nicht ausreichend. Alle drei würden eine intensive heilpädagogische Betreuung benötigen, wozu wir nicht in der Lage sind. Zu unserem großen Bedauern mussten wir sie in die jeweiligen Familien zurückgeben, Ein weiteres Mädchen war offensichtlich zu Hause weg gelaufen und suchte nun Unterkunft bei der weißen Frau. Auch sie wurde wieder zurück gebracht. Mit solchen Entscheidungen gehen natürlich auch immer Überlegungen einher: „Was können wir leisten, wo müssen wir unsere Grenzen erkennen?“ Dies ist um so schwieriger, als der allgegenwärtige Bedarf an Hilfestellung uns täglich bewusst ist. Aber auch ohne das Vorhandensein schwerster Milieuschädigungen stellt jeder Tag eine Herausforderung dar. Vier der im Moment hier lebenden 6 Kinder und Jugendlichen haben einen oder beide Elternteile verloren und waren anschließend der zweifelhaften Obhut ihrer Familien überantwortet. Tochukwu hat zwar Eltern, dafür aber den rechten Arm verloren. Er tut sich mit seinen 16 Jahren verständlicherweise schwer damit, einen neuen Platz im Leben zu finden und von dem bisher vorgesehenen Konzept abzuweichen. Dieses bestand darin, dass er als ältester Sohn die Farm des Vaters übernehmen werde. Schulbildung war nicht in der Planung. Es bedarf täglicher Diskussionen, um ihn zu motivieren. Und Benjamin als Ältester muss ebenfalls jeden Tag realisieren, dass er hier im Haus Verantwortung übernehmen muss – für die Gemeinschaft, für sein schulisches Fortkommen und für seine grundsätzliche Zukunftsplanung.

Und nie bin ich sicher, ob nicht um’s Eck eine neue Tragödie wartet: bei Martins fiel mir ab Beginn des Schulbesuches auf, dass er bei den Hausaufgaben mit der Nase buchstäblich am Buch bzw. Heft klebt. Wir hatten vereinbart, eine Visusüberprüfung im Krankenhaus durchführen zu lassen, ich sah aber keine Notwendigkeit, dies sofort umzusetzen, sondern wollte auf die Ferienzeit warten. Letzten Freitag allerdings war sein linkes Auge stark gerötet, er klagte über Schmerzen und Jucken. Also gingen wir am Montag gleich nach der Schule zum Augenarzt. Dieser stellte zu meinem Entsetzen fest, dass Martins auf dem linken Auge blind ist – dies sei offensichtlich auf ein Traumaereignis zurückzuführen. Und endlich gestand Martins, dass im letzten Januar ein Junge einen Stein nach ihm geworfen und ihn am Auge getroffen habe. Er habe zwar starke Schmerzen gehabt, aber seiner Mutter nichts davon erzählt. Es gebe nie Geld im Haus, die Fahrt vom Dorf ins Krankenhaus nach Emene dauere 3 Stunden. Er habe immer darauf gewartet, dass alles wieder besser werde – mit nun fatalen Folgen. Auch mir habe er nichts erzählt. Er habe Angst gehabt, dass ich ihn wieder wegschicken werde... Im Moment wird der Defekt konservativ mit Tropfen und Tabletten behandelt. Sollte der erhoffte positive Effekt ausbleiben, besteht hoffentlich immer noch die Möglichkeit einer Operation. Martins reagiert wie immer mit stoischer Gelassenheit.

Israel (7 Jahre) und Vivian (5 Jahre) haben sich gut hier eingefunden. Seit dem Tod der Mutter vor wenigen Monaten wurden sie in der Familie herumgereicht, bis klar wurde, dass sie bei OLILEANYA aufgenommen werden können. Onkel und Tante waren deutlich erleichtert darüber, sie hier abliefern zu können – bislang hat sich noch niemand nach ihrem Befinden erkundigt. Die Geschwister, die gerade eben von der Vorschule nach Hause gekommen sind, brachten einen sehr erfrischenden Alphabet-Song zur Aufführung. Sie sind ganz offensichtlich sehr stolz auf das heute Erlernte. Allerdings haben wir ein kleines Problem: sie sprechen und verstehen (bisher) nur den Dialekt ihres Heimatdorfes. Auch Chioma tut sich trotz Igbo schwer mit der Kommunikation. Lediglich Martins, der aus der gleichen Ecke kommt wie unsere beiden Jüngsten, kann die Botschaften 1:1 übersetzen – und der ist tagsüber die meiste Zeit außer Haus. Ich bin inzwischen dazu übergegangen, nur noch deutsch mit ihnen zu reden in der Hoffnung, dass sie dieses Angebot bald aufgreifen werden. Zum großen Glück sind die Kinder ausgesprochen clever und aufnahmebereit, alle zusammen sind wir sehr geduldig in unserem Bemühen um Verständigung.

Dass sich die Kinder im Hause „Nno“ sowie in ihrem schulischen Bereich gut eingelebt haben, zeigt sich vor allem daran, dass sie inzwischen viel Besuch von Nachbarskindern bekommen. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass es hier ein reichliches Angebot an Spielsachen gibt. Vor allem Lego erfreut sich großer Beliebtheit. Und auch der aus Deutschland angereiste Fußball wird täglich bewegt, obwohl er seit Wochen keine Luft mehr hat. Allerdings muss ich laufend korrigierend eingreifen – nigerianische Kinder gehen mit allem, was sie anfassen, wesentlich rauher um als ich es gewohnt bin. Lediglich Vivian hätschelt ihre Puppe unverändert mit großer Hingabe, und fährt sie im Puppenwagen auf dem Grundstück spazieren.

Auch sonst gibt es spannende Veränderungen, wie ich vor Kurzem mit Vergnügen zur Kenntnis nahm: Martins (18jährig) verkündete mir zum ersten Mal, dass er den Kauf eines Einmalrasierers für erforderlich halte. Prompt hat Promis (13 Jahre) nachgezogen – in Ermangelung auch nur des diskretesten Flaums am Kinn habe ich ihn allerdings auf später vertröstet; irgendwann mal, in ein paar Jahren...

Emene und Umwelt:

Mein Widerstand gegen den Plastikmüll geht in eine neue Runde: ich habe einen Plan erarbeitet, der mit Unterstützung von Rev.-Father Donatus in den Schulen und Gemeinden Eingang finden soll. In den nächsten Wochen wollen wir ein Gremium bilden, um die genannten Ziele auf ihre Umsetzbarkeit in Emene hin zu überprüfen. Nach entsprechenden Anpassungen soll der Gouverneur von Enugu mit eingebunden werden. Ausgesprochen hilfreich bei dieser Planung war ein jüngst in der Daily Sun erschienener Artikel, dass Malaria in Nigeria keinen Platz haben dürfte, wenn mit der Umwelt pfleglicher umgegangen werde. Diesen Artikel werde ich als Grundlage für weiter Diskussionen einsetzen. Seine Forderungen sind so simpel wie schlüssig: Verbesserung der hygienischen Bedingungen, damit Eindämmung von Erkrankungen wie Malaria, Typhus, Tb und Hepatitis. Leider ist aber vor allem Hepatitis im Moment gewaltig auf dem Vormarsch, wie ich letzten Samstag von einer Ärztin erfahren habe.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Problematik mit dem Trinkwasser hinweisen: Ende Juni 2010 hat die UNO eine Resolution verabschiedet, in der sie erklärt, das Recht auf sauberes und gesundes Wasser sei ein Grundrecht. So viel zur Theorie. Die Praxis sieht anders aus: ein nicht unerheblicher Teil unseres Budgets wird darauf verwendet, (hoffentlich) sauberes Trinkwasser zu kaufen. Der Vorrat an 48 1 ½ -l-Flaschen einer preisgünstigen Marke kostet 4.200 Naira, das sind umgerechnet ca. 20 Euro – das ist für nigerianische Verhältnisse richtig viel Geld (im Vergleich: der Stoff für die Uniform für Martins Trommelgruppe kostet 900 Naire = ca. 4 Euro!). Das Wasser reicht für ca. eine Woche – je nachdem, wie heiß es ist. Die Alternative sind die ¼-l-Wasserbeutel, die gigantische Plastikmüllmengen nach sich ziehen.



Bis jetzt habe ich mich gewehrt, wie von Einheimischen empfohlen ein Bohrloch auf dem Grundstück graben zu lassen. Ich habe keine Ahnung, wie das Grundwasser beschaffen ist. Es gibt auch keine Stellen, welche die Qualität offiziell untersuchen. Die rasant ansteigenden Infektionskrankheiten – s.o. – zeigen auf, dass die Situation verheerend ist und laufend schlechter wird. Von der Umsetzung der UNO-Resolution sind wir m.E. um Lichtjahre entfernt.





Ausblick

Zwei weitere Kinder sind vage angekündigt. Wir werden uns mit einer endgültigen Entscheidung aber Zeit lassen. Zunächst sollte sich die Situation im Haus nach dem Zuzug von Israel und Vivian neu regulieren. Bei den hier herrschenden Temperaturen fällt es schwer, zu realisieren, dass wir uns mit Riesenschritten auf Weihnachten zu bewegen. Vor allem die vor Kurzem im Einkaufstempel von Enugu installierte Dekoration erheitert mich. Gott sei Dank nehmen die „normalen“ Märkte in unserer Umgebung von derlei Schnickschnack Abstand.

Ganz besonders möchte ich auf den seit einigen Wochen fertig gestellten OLILEANYA-Kalender 2016 hinweisen – siehe auch Eingangsseite der Homepage. Er kann sowohl per mail bestellt als auch in drei Läden in Rottweil gekauft werden und eignet sich hervorragend als Weihnachtsgeschenk. Sie unterstützen damit nicht nur die Vereinskasse, sondern auch die Arbeit der Jugendkunstschule Oberndorf, die sich auf dieses Projekt dankenswerterweise eingelassen hat. Es hat offensichtlich allen Beteiligten großen Spaß gemacht.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieser Website eine besinnliche Vorweihnachtszeit ohne überbordende Hektik. Falls Sie sich / ihr euch ab und zu an uns im fernen Nigeria erinnern / erinnert, freuen wir uns natürlich. Alle guten Wünsche und Gedanken wehen mit Sicherheit mit dem in nächster Zeit einsetzenden Harmattan-Wind zu uns nach Emene.

Herzlich – Gabriele Ayivi

Zum Schluss noch eine Empfehlung zum Thema Trinkwasser:

Bottled Life -
Die Wahrheit über Nestlés Geschäfte mit dem Wasser

Ende Juni 2010 hat die UNO eine Resolution verabschiedet, in der sie erklärt, das Recht auf sauberes und gesundes Wasser sei ein Grundrecht. So viel zur Theorie.

Die Praxis sieht anders aus: 

...In Lagos zum Beispiel, der Megacity Nigerias, hatte Wasser immer einen Preis. Der Film zeigt, dass die Vision einer Stadt, in der alle für Wasser zahlen müssen, hier bereits Realität geworden ist. Die Familien in den Slums von Lagos wenden die Hälfte ihres Budgets dafür auf, Wasser in Kanistern zu kaufen.

Über diesen Link gelangen Sie zur Webseite des Films mit Hintergrundinformationen und Möglichkeiten, den Film anzusehen.


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Brief von Gabi Ayivi vom 27.9.2015

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe UnterstützerInnen von OLILEANYA e.V.,

nun bin ich bereits wieder seit 9 Wochen zurück von meinem Deutschlandaufenthalt. Die 6 Wochen mit Basisstation in Rottweil waren sehr intensiv, und zwar in jeglicher Hinsicht. Ich wollte so viele Kontakte pflegen und habe doch nicht alles geschafft – Entschuldigung an alle, bei denen es nicht geklappt hat.

Ein weiterer Schwerpunkt waren 5 Informationsveranstaltungen, verstreut in ganz Baden-Württemberg. Hier war die Vorbereitung sehr anstrengend. So viel wie möglich wollte ich in eine Stunde Redezeit packen, so viel liegt mir am Herzen, wenn ich über Emene und die Lebensumstände der Menschen hier rede. Die Veranstaltungen selbst waren dagegen äußerst angenehm. Ich bin glücklich, so viele äußerst interessierte Zuhörer angetroffen zu haben. Das macht Mut auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr. Schön war es, in diesem Zusammenhang auch Freundinnen und Freunde zu treffen, so dass sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden ließ.

Viel Zeit habe ich auch in die Organisation der notwendigen Armprothese für Tochukwu investiert. Hier zeigt sich ein Silberstreif am Horizont. Siehe „Singen für Tochukwu"

Und last but not least fand sich endlich eine Lösung für meinen Wunsch, nach zweijähriger Pause wieder einen Olileanya-Kalender aufzulegen. In Kooperation mit der Jugendkunstschule Rottweil haben sich junge Flüchtlinge bereit erklärt, Sprichwörter der Igbo in Bilder umzusetzen. Der Kalender kann ab Anfang Oktober erstanden werden – auch hierfür gibt es einen speziellen Link. Ohne falsche Bescheidenheit wage ich zu behaupten, dass er ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk ist für alle, die das Besondere lieben.

Ich glaube, es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass es eine Herausforderung ist, das Haus „Nno“ aus der Entfernung von mehr als 8.000 km zu organisieren. Immerhin haben in der Zeit meiner Abwesenheit bereits 3 Jugendliche dort gewohnt, die mit der Zeit des Ankommens gerade erst begonnen hatten. Ohne die hervorragende Unterstützung meiner Gastfamilie wäre das nicht möglich gewesen – vielen Dank an dieser Stelle nach Bühlingen für das Aushalten all meiner Macken.

Am anstrengendsten aber war das Wiedereintauchen in die Welt des Überflusses. Das hat mir schwer zu schaffen gemacht. Viele Dinge, die ich in Emene manchmal schmerzlich vermisse (angefangen beim abendlichen Trollinger mit Lemberger über spezielle Obstsorten, das Eis beim Lieblings-Italiener und die riesige Auswahl an Käse) schienen bei näherer Betrachtung nicht mehr so unbedingt erforderlich. Nur das Viertele habe ich uneingeschränkt genossen.

Wunderschön war es, wieder nach Emene zu kommen. Ich hatte ein bombastisches Empfangskomitee am Flugplatz: alle, alle waren gekommen, um mich willkommen zu heißen.

Inzwischen ist der Alltag längst wieder eingekehrt – sofern man bei unserem turbulenten Leben überhaupt von Alltag reden kann. Routine hat es schwer im Hause „Nno“. Erst mal mussten mit zwei Kindern einige Arzttermine wahrgenommen werden. Bei Tochukwu war die Wunde am Armstumpf leider wieder aufgebrochen, so dass eine weitere Operation erforderlich wurde. Inzwischen wurde der Oberarmknochen restlos entfernt und die Narbe ist gut verheilt. Allerdings treten im Umfeld immer noch vereinzelte Entzündungsherde auf, die sich bis jetzt nicht befriedigend zurückbilden. Insgesamt geht es aber allen richtig gut. Promise und Tochukwu haben sehr erfreulich an Gewicht zugenommen. Seit 3 Wochen haben wir Zuwachs – Martins ist eingezogen und erweist sich als der ideale „große Bruder“ für die beiden Jüngeren. Benjamin ist in die Position des Alpha-Tieres gerückt und die absolute Respektsperson im Haus. Zwischendurch hatten wir ein einwöchiges Intermezzo mit einem 10jährigen Mädchen. Sie hatte leider so viel Heimweh nach ihrem Dorf, dass sie unbedingt dorthin zurückkehren wollte. Letzten Endes waren wir alle erleichtert, als sie nach drei Tagen auf einer fertig gepackten Tasche von einer ihrer Verwandten wieder abgeholt wurde. Trotz der mehr oder weniger großen Beeinträchtigungen durch tägliche Medikamentengabe, einem fehlenden rechten Arm und der nicht (mehr) vorhandenen familiären Anbindung sind wir ein ausgesprochen fröhlicher Haufen. Es wird viel gelacht, getanzt und gesungen.

Seit einer Woche gehen Tochukwu und Promise in die Schule, Benjamin und Martins werden am kommenden Montag folgen. Gestern wurde ich mit dem Ansinnen der Klassenlehrerin konfrontiert, für Tochukwu und Promise je einen Tatzenstecken zu kaufen – sie sind offensichtlich die einzigen, die dieses pädagogische Wundermittel noch nicht angeliefert haben. Ich habe dankend abgelehnt und dies auch dem für die katholischen Schulen zuständigen Gemeindepriester gegenüber zum Ausdruck gebracht. Da er viele Jahre in Deutschland gearbeitet hat und erst wieder seit wenigen Monaten in Nigeria lebt, habe ich bei ihm offene Türen eingerannt. Evtl. gelingt es uns, eine tatzensteckenlose Ära in Emene einzuführen.

Ums Haus rum wurden in den letzten Wochen umfangreiche Nachbesserungsarbeiten durchgeführt. Wir lebten mal wieder auf einer Baustelle. Schwere Regenfälle haben zu starken Erosionen im hinteren Bereich des Grundstücks geführt. Die Ausschwemmungen um den Abwassertank mussten verfüllt werden, eine betonierte Ablaufrinne fast um das gesamte Grundstück herum wurde angelegt. Außerdem sind wir jetzt stolze Besitzer einer rundumlaufenden Regenrinne, so dass nunmehr das gesamte Wasser in den Tank fließt und nicht zum Großteil ungenutzt im Boden versickert. Heute Abend werden hoffentlich alle Bodenarbeiten fertig gestellt sein. Dann gilt es nur noch ein Leck an einer Dachecke zu stopfen. Hier hat sich durch eine undichte Stelle unbeabsichtigt eine weitere Möglichkeit des Duschens aufgetan.

Was gibt es sonst noch in Nigeria? Zunächst sah es so aus, als ob sich nach dem Wechsel auf dem Chefsessel nicht viel tut. Herr Buhari lässt sich sehr viel Zeit mit dem Bilden eines Kabinetts. Inzwischen wurde aber bekannt, dass er die Vergütungen der Regierungsmitglieder empfindlich gekürzt hat. Außerdem hat er die Personenzahl drastisch verringert. Das hört sich schon mal gut an. Bis solche Maßnahmen aber nach unten durchgereicht sind – das dauert! Speziell bei der Polizei und in öffentlichen Ämtern herrscht nach wie vor ein reges Gedränge in den Büros und an den Straßenkontrollposten. Positiv ist anzumerken, dass das Versprechen Buharis, energisch gegen die Korruption vorzugehen, Wirkung zeigt. So langsam wird auch an staatlichen Servicestellen „ausgemistet“. So musste sich eine leitende Angestellte, die Adoptionen vermittelte, einer Prüfungskommission stellen und wird jetzt verschärft kontrolliert. Dass noch viel zu tun ist, zeigt sich an folgendem Beispiel: mit einer Freundin war ich zu einer Besprechung im Taxi unterwegs, weil mein eigenes Auto defekt war. An einer belebten Kreuzung wurde der Fahrer angehalten. Er habe die Ampel missachtet - wobei von unserer Seite überhaupt kein Verstoß zu erkennen war, der Vorwurf war völlig aus der Luft gegriffen. Aus der anschließenden Diskussion mit den vier(!) Verkehrspolizisten haben wir uns rausgehalten. Zunächst sollte das Taxi beschlagnahmt werden, weil keine Einigung erzielt wurde. Der Taxifahrer hat schließlich 100 Naira (umgerechnet ca. 50 Cent) bezahlt. Beim Weiterfahren erzählte er, dass vor allem ein Polizist auf einer wesentlich höheren Strafe bestanden hatte. Dieser habe ihn aufgefordert, die Strafe dann wieder bei der „Oni Ocha“ auf den Fahrpreis draufzuhauen. Unser Fahrer hat sich energisch gewehrt – ich habe ihm die 100 Naira erstattet.

Gott sei Dank komme ich zwischendurch immer noch dazu, mich an der Nähmaschine zu erholen. Sr. Jane Frances hat drei Taschen aus meiner Werkstatt in Auftrag gegeben, deren Fertigung sehr viel Spaß gemacht hat. Im Moment beschäftige ich mich in erster Linie mit der Herstellung von Taschen, die im Sommer beim Verkauf im Rahmen der Informationsveranstaltungen ein großer Erfolg waren. Alle Stücke sind Unikate.

Bislang sind wir immer noch darauf angewiesen, dass fleißig die Werbetrommeln für uns gerührt werden. Es wird noch eine kleine Weile dauern, bis wir an große Organisationen wie Misereor oder Unicef heranreichen und nicht mehr betteln müssen. Jeder Naira zählt!

Zum Schluss noch Durchmischtes:

- Buchtip -

Vor kurzem wurde ein Buch aus dem Jahr 2005 als Taschenbuch herausgegeben:
Verfasserin: Chimamanda Ngozi Adichie
Titel:
Blauer Hibiskus
Verlag: Fischer-Verlag

Der Roman spielt in Enugu und zeichnet in hervorragender Weise auf, wie sehr die Christianisierung und die Kolonialisierung den christlichen Teil Nigerias prägten - ich kann sagen: bis heute noch prägen. Am Anfang hat er mich sehr bedrückt, ab der zweiten Hälfte jedoch wird die Handlung tröstlicher, wenn auch nicht unbedingt zum Optimismus veranlassend. Ein Buch, das sehr zum Nachdenken anregt. Für mich um so spannender, als ich mehrmals wöchentlich auf den genannten Straßen unterwegs bin.

Frau Adichie hat noch weitere Romane veröffentlicht, einen davon habe ich schon vor längerem gelesen. "Die Hälfte der Sonne" erhielt den Orange-Prize for Fiction 2007.


- Biafra-Krieg und mögliche Spätfolgen - 

Dann - wegen Josefle - (siehe weiter unten auf dieser Seite) ein Hinweis auf den Biafra-Krieg. Laut Wikipedia wurde während des Krieges Napalm eingesetzt. Es wird diskutiert, dass die Häufung von Spina bifida (offener Rücken) mit daraus resultierendem Hydrocephalus Ergebnis des Einsatzes chemischer Waffen sein können. Dies würde bedeuten, dass die auffällig vielen Fälle in der hiesigen Region u.U. Folge dieses Krieges sein können. Dem möchten wir jetzt nachgehen. Ich denke, dass jede(r) nachvollziehen kann, dass ich mich mit dem Tod von Josef nicht so einfach abfinde.

"Wir", das ist der Verein EIFADCHIF mit der Website www.eifadchif.org, bei dem ich Gründungsmitglied bin. Wir möchten auf die Schicksale dieser Kinder aufmerksam machen und sie aus dem Niemandsland herausholen. Zwar ist alles auf englisch, Interessierte können sich aber hoffentlich durchwurschteln.



Emene, 27.09.2015

Herzliche Grüße, macht’s gut, danke - ekele, na-eme ya nke ọma, daalu

Gabriele Ayivi


… und hier noch ein paar aktuelle Impressionen aus dem Hause „Nno“ (Link zum Fotoalbum)



Brief vom 3. Juli 2015

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe UnterstützerInnen von Olileanya,

im April 2015 hatte ich angekündigt, mich wieder zu melden, wenn die ersten Kinder im Hause „Nno“ eingezogen sind. Allerdings hatte ich dabei nicht das nigerianische Zeitmanagement berücksichtigt, das sich doch wesentlich von meinem eigenen unterscheidet. Und so kam es, wie es kommen musste: Tochukwu und Promise sind 10 Tage vor meiner Abreise nach Deutschland zu uns gekommen, Benjamin sogar erst 2 Tage vorher. Das hat uns alle vor eine große Herausforderung gestellt, zumal Tochukwu bereits wenige Tage später zu einer Nachoperation wieder stationär im Krankenhaus aufgenommen werden musste. Aber lasst mich / lassen Sie mich der Reihe nach vorstellen:

Tochukwu ist ein im Moment noch 14jähriger Junge. Im August feiert er seinen 15. Geburtstag. Ich lernte ihn im Krankenhaus kennen, als er zum Verbandswechsel kam. Er war von einer Kokosnuss-palme gefallen und hatte sich eine offene Fraktur am rechten Oberarm zugezogen. 


Tochukwu mit seiner Mutter im Annunciation Specialist Hospital vor dem Verbandswechsel Ende Mai 2015







Die Wunde wurde über einen längeren Zeitraum hinweg nicht fachgerecht versorgt. Die Eltern hatten zunächst dem Kräuterdoktor aus ihrem Dorf mehr vertraut als der „englischen“ Medizin. Als Tochukwu endlich im Annunciation Specialist Hospital ankam, konnte die Behandlung nur noch in Form einer Amputation des rechten Armes erfolgen. Dies hat ihn in tiefe Verzweiflung gestürzt. Als ältestes von 6 Kindern hat er die Verantwortung für seine jüngeren Geschwister, die er nun nicht mehr tragen kann. Die Kosten für die Behandlung bedeuteten das Ende des Schulbesuchs für einen Teil seiner Brüder und Schwestern, da sein Vater die ohnehin sehr eingeschränkten finanziellen Mittel der Familie in die medizinische Behandlung investieren musste. Inzwischen ist er hoch verschuldet. Tochukwu hatte Essen und Trinken nahezu völlig eingestellt und sich bereits vor einem Leben als Bettler gesehen. Dazu kam eine gestörte Wundheilung. Bereits 3mal musste nachoperiert werden. Die Möglichkeit einer prothetischen Versorgung wurde von keiner Seite ins Auge gefasst, sie erschien unerreichbar. Nach gründlicher Überlegung habe ich mich entschlossen, Tochukwu selbst und seinen Eltern anzubieten, ihn in unserem Haus aufzunehmen, zumindest bis eine Klärung des künftigen Vorgehens erfolgte. Inzwischen ist klar, dass er auf Dauer bei uns bleiben wird, natürlich im Einvernehmen mit den Eltern.

Einen Tag später kam Promise dazu. Er ist einige Monate jünger als Tochukwu, das genaue Geburtsdatum ist mir noch nicht bekannt. Promise ist Vollwaise, die Eltern sind an Aids verstorben. Er wurde seit dem Tod der Eltern mehr schlecht als recht von seiner 20jährigen Schwester versorgt, die sich daneben noch um ihre 2jährigen Zwillinge kümmern muss.

Tochukwu und Promise mit Josef Okafor, unserem Nachbarn und nahezu täglichen Besucher. Er kümmert sich intensiv um die Buben und erleichtert ihnen das Einleben in einer für sie fremden Umgebung






   Und am 23.06. kam als „großer Bruder“ noch Benjamin ins Haus, ein 22jähriger junger Mann, der wegen einer Epilepsie vor 4 Jahren den Schulbesuch abgebrochen hat. Auch bei ihm konnte der Vater nicht beide Unkosten stemmen – auf der einen Seite die dringend erforderlichen Medikamente, auf der anderen Seite die Kosten für die Schule. Benjamin hatte sich nach Bekanntwerden der Diagnose völlig zurückgezogen. Ein Großteil seiner Umgebung setzte die Anfälle in Zusammenhang mit einem Geist, der in ihn fahre, und von dem man sich fernhalten müsse. Als ich Benjamin fragte, welchen Traum er für sein Leben habe, wünschte er sich als erstes einen Schulabschluss. Dies könne er allerdings – abgesehen von den finanziellen Hürden – nur bewerkstelligen, wenn er das Stigma des Epileptikers nicht mehr auf der Stirn trage. Ein möglichst anfallsarmes Leben wiederum ist an die zuverlässige Versorgung mit Medikamenten geknüpft. Wir haben zusammen beschlossen, daran zu arbeiten, seinen Traum wahr werden zu lassen.

Chioma (links) sorgt für das leibliche Wohl der Bewohner des Hauses - auch sie bekommt gerne Besuch von ihrer Freundin.







Aktuell suchen wir also für zwei Kinder und einen jungen Erwachsenen Paten. Drei weitere Kinder sind angemeldet, sie wollen direkt nach meiner Rückkehr nach Emene Mitte August einziehen.

Seit dem 26.06.2015 halte ich mich in Rottweil auf. Zum einen ist die Jahreshauptversammlung für Olileanya abzuhalten, weiter haben sich zu meiner großen Freude 5 Interessenten für eine Informationsveranstaltung über mein Leben in Emene gemeldet. Neben der Vermittlung von interessanten Einblicken in den nigerianischen Alltag wird es viele Bilder geben sowie den Verkauf von Taschen aus afrikanischen Stoffen, die von Chioma gehäkelten Taschen (siehe auch Foto im letzten Rundbrief) sowie andere gestrickte und genähte Handarbeiten. Falls Du Interesse hast / Sie Interesse haben, eine solche Veranstaltung zu besuchen, folgt am Ende dieses Schreibens eine Liste der Termine. Natürlich freue ich mich über jeden Besucher. Dringend sind wir wieder auf Spenden angewiesen, dieses Mal konkret für die Prothese von Tochukwu. Eine in Rottweil ansässige Firma für Orthopädietechnik hat sich bereit erklärt, eine solche speziell für ihn anzufertigen. Die präzisen Kosten werde ich mitteilen, sobald ich einen Kostenvoranschlag in Händen habe und eine Kalkulation erstellen kann.

Abschiedsfoto vor der großen Reise nach Deutschland









... und fast nebenbei wurde mit Olileanya-Spendengeldern noch eine Augenoperation durchgeführt









Der Abschied von Emene ist mir sehr schwer gefallen, weil die Versorgung vor allem von Promise und Tochukwu in den Anfängen steckt und viele medizinische Maßnahmen vor Ort noch abgeklärt werden müssen. Diese Aufgabe muss nun von Chioma und Benjamin bewältigt werden, was einen engen telefonischen Kontakt per Handy in beide Richtungen erforderlich macht. Bis jetzt läuft alles gut. Wie Ihr / Sie den Fotos entnehmen könnt, haben sich alle drei richtig gut im Hause Nno eingelebt. Jeder hat sein eigenes Bett! - und sie bekommen vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben zuverlässig täglich drei volle Mahlzeiten und zum Aufpäppeln zusätzlich Zwischenmahlzeiten. Tochukwu und Promise sind (noch) stark untergewichtig.

Zu den Patenschaften ist Folgendes zu sagen: die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung ist trotz einer Inflationsrate von jährlich ca. 8% immer noch gut zu bewältigen. Auch die Kosten für den Schulbesuch halten sich – deutsche Maßstäbe zugrunde gelegt – in Grenzen. Hier müssen ca. 15 Euro pro Monat einkalkuliert werden. Was die Kosten in der Betreuung chronisch kranker Kinder in die Höhe treibt, ist die medizinische Versorgung. Und diese Kosten sind natürlich nicht zu kalkulieren. Allein für die antiepileptische Medikation von Benjamin habe ich für die 6 Wochen meiner Abwesenheit 8.000 Naira hinterlegt; das entspricht bei dem aktuellen sehr günstigen Wechselkurs ca. 40 Euro.

Manche Hilfsorganisation werben mit monatlichen Zuwendungen von 28 € für den Lebensunterhalt eines Kindes - das ist in Nigeria nicht möglich. Wir bieten deshalb die Möglichkeit des Zusammenschlusses mehrerer Paten an, die dann für ein Kind zuständig sind. Nochmals möchte ich betonen, dass nach wie vor keinerlei Verwaltungskosten anfallen. Was Ihr spendet / Sie spenden, wird direkt für die Hilfe eingesetzt.

Apropos Spenden: Zu meiner grossen Freude haben wir von der Brunnengemeinde in
Dietersheim bei Bingen ein Keyboard nebst Ständer und Sitzbank
geschenkt bekommen. Ich hoffe, dass wir möglichst bald einen Transport nach
Emene organisieren können. Vielen Dank an alle, die dieses Geschenk
ermöglichst haben.

Am 06.08. werde ich hoffentlich mit vielen guten Nachrichten im Gepäck zurück nach Enugu fliegen.

Während meines Aufenthaltes in Deutschland bin ich unter der Ruf.-Nr. 0152 13069176 erreichbar, ansonsten wie gewohnt per mail. Es wäre schön, wenn die Internetadresse von OLILEANYA sowie die unten-stehenden Termine weitergereicht würden.

Herzliche Grüße, dieses Mal aus dem afrikanisch heissen Bühlingen bei Rottweil –
Gabi Ayivi



Termine fuer Info-Abende „Emene – wo ist das?“

Tübingen
Montag, 13.07.2015, 15.00 Uhr, Bürgerzentrum „Hirsch“, Hirschgasse

Weinstadt
Donnerstag, 16.07.2015, 18 Uhr, ev. Gemeindehaus Weinstadt –Großheppach

Jestetten
Freitag, 17.07.2015, 20.00 Uhr, kath. Kirche, Saal unter der Kirche

Rottweil
Freitag, 24.07.2015, 20.00 Uhr, „Kapuziner“

Villingen
Dienstag, 28.07.2015, 19.00 Uhr, Gasthaus Tokio, Brigachstraße 1


Brief vom 2.+ 13. April 2015

Liebe Freundinnen und Freunde,

der Verein hat ein Ostergeschenk erhalten: Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Aufnahme von Kindern in unserem Hause wurde entgegen meiner Vorbehalte ohne weitere Diskussion positiv entschieden. Der Direktor für die Sektion „Soziales“ beim Ministry of Gender Affairs, der mir die Formulierung handschriftlich ausarbeitete, rief mich Mitte letzter Woche an und fragte mich, wie die Angelegenheit nun weitergehen solle. Reichlich verblüfft fragte ich ihn, warum er das von mir wissen wolle. Schließlich treffe das Ministerium die Entscheidungen. Er teilte mir darauf mit, dass ich das Zertifikat erhalten würde, dass er von mir nur wissen wolle, wann wir uns treffen könnten, um die abschließend notwendigen Handlungen zu besprechen. Dann wünschte er mir noch ein schönes Wochenende und Gottes Segen. 

Nachdem in den Tagen vor der Präsidentenwahl in Nigeria keine Termine mehr vergeben wurden, hatten wir uns auf den 30.03.2015, 9.00 Uhr geeinigt. Herr Amoke, der Direktor, traf mit einer für Nigeria sehr moderaten Verspätung von lediglich 15 Minuten ein. Er war überaus freundlich, bot mir einen Stuhl an und fragte mich, wie ich gewählt hätte. Als ich ihn darüber aufklärte, dass ich nicht hatte wählen dürfen, weil ich keine nigerianische Staatsangehörigkeit besitze, meinte er sehr bestimmt, für ihn sei ich bereits Nigerianerin. Offensichtlich ist er von Olileanya und dem Angebot sehr angetan, in erster Linie evtl. deshalb, weil es den Bundesstaat Enugu  nichts kostet. Ich habe seine Aussage jedoch als großes Kompliment aufgefasst und mich darüber fast genau so gefreut wie über die Tatsache, dass wir jetzt endlich, endlich offiziell anfangen können, Kinder aufzunehmen. Als vorletzte Aktion musste ich die Gebühren für das Zertifikat entrichten, was mich den gesamten weiteren Montag und den Vormittag des Dienstag in Anspruch nahm. Weil ich Herrn Amoke die Quittung noch im März vorbeibrachte, wird das Papier bereits ab April gültig. Der Herr Direktor persönlich wird nächste Woche hier vorbeikommen, sich die vorbereiteten Räumlichkeiten anschauen und mir das Zertifikat überreichen. 

Die Mitarbeiterin des Annunciation Specialist Hospital wird ebenfalls nächste Woche mit den Familien der Aidswaisen, die sie betreut, Kontakt aufnehmen. Ich hoffe, dass der Einzug des Geschwisterpaares bereits im April stattfinden kann. Ich freue mich!!!! 

Eine weitere positive Entwicklung zeichnet sich ab: Ich habe bereits drei MitstreiterInnen gewonnen, die mit mir den Kampf gegen den überbordenden Plastikmüll in Emene antreten werden. Wir werden mit einer leitenden Rev.-Sister, die auch lange Jahre in Deutschland als Krankenschwester gearbeitet hat, meiner Nachbarin  zur Linken (berentete Dipl.-Psychologin, viele Jahre in Kanada lebend) und dem übernächsten Nachbar zur Linken ( junger Theologe,  Philosoph und Organist) diese Initiative starten. Immerhin sieht unsere „Straße“ – in Wirklichkeit eine liebenswerte buckelige Sandpiste – nach konsequenten täglichen Säuberungsaktionen im Vergleich zu anderen Straßen traumhaft aus – siehe Fotos. 

Unsere Straße












Zu den Katastrophenbildern muss ich anmerken, dass links immer noch Wohnhäuser stehen. Der Müll lagert vor den Grundstücksmauern. Bei jedem starken Regenguss wird ein Teil davon in den weiter unten verlaufenden Fluss Ekulu und auf die an dessen Ufer angelegten Felder gespült. Ich hoffe, in nicht allzuferner Zukunft hier Fotos machen zu können, die ein anderes Bild darstellen.



Was gibt es sonst noch? Die Präsidentenwahl ist vorbei, der Kandidat der Opposition hat gewonnen. Für mich erstaunlich, wird dieser Sieg eines Moslem und früheren Militärangehörigen  auch im christlichen Süden sehr begrüßt. Ich habe mich in erster Linie darüber gefreut, dass es während und nach der Wahl zu keinen gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist. Wir werden sehen, was Herr Buhari aus seinem Amt macht. Die Hoffnung der Nigerianer geht in Richtung Verminderung der Korruption und verlässlichen Zugang zu Elektrizität. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt und ob diese Hoffnungen erfüllt werde.

Am Montag nach Ostern kommt Mary Cynthia für knapp zwei Wochen zu Besuch. Dann sind wir ein Drei-Mädel-Haus und ich werde vermutlich gehörig verwöhnt. Mary Cynthia wurde im letzten Oktober 18 Jahre alt. Dank der Absicherung ihrer Schulgebühren bis zum Sommer 2015 durch eine weitere großzügige Einzelspende kann sie stressfrei und sehr engagiert an ihrer weiteren Ausbildung arbeiten. Ich melde mich wieder, wenn Brüderlein und Schwesterlein hier eingezogen sind.Nach wie vor ist natürlich absolut nichts dagegen einzuwenden, diese mail an Verwandte, Freunde und Bekannte zum Zwecke der Werbung weiterzuleiten!Herzliche Grüße und frohe Ostern, Eure Gabi

… und ein Nachtrag vom 13. April 2015:

Mary Cynthia ist seit Ostermontag hier auf Besuch (das rechte Fraeulein auf dem Bildle).

Aus dem kleinen Maedchen, das die Titelseite unseres Kalenders aus dem Jahr 2013 zierte, ist eine attraktive junge Frau geworden. Im Oktober 2014 wurde sie 18 Jahre alt.

Das Erstlingswerk von Chioma ist fertig. Wir sind beide sehr stolz auf die tolle Haekeltasche. Sie ist meine erste, sehr gelehrige Schuelerin und hat ein grosses kreatives Potential auf Lager. Es war, als ob sich eine Tuere geoeffnet haette, die ihr bislang verschlossen war; jetzt legt sie los, und zwar auf ihre eigene Art und Weise. Genau so war es gedacht…




Leider konnte der Direktor fuer das Soziale beim Ministerium of Gender Affairs seine Zusage einer raschen Abwicklung der Genehmigung nicht eingehalten. Waehrend der Wahlen in Nigeria schien in nahezu allen Bereichen die Zeit stehengeblieben zu sein. Nachdem im Suedosten von Nigeria klar wurde, dass Goodluck Jonathan die Wahl verloren hatte, verfiel hier alles in Schockstarre. Am Wochenende hat nun auch bei den Gouverneurswahlen die bisherige Oppositionspartei gewonnen. Es sieht so aus, als ob nun erst mal Wunden geleckt warden muessen. Die Dame Commissionar sah sich jedenfalls bislang nach heutiger telefonischer Aussage des Direktors nicht in der Lage, das Certificate zu unterschreiben. Er wollte sie aber nach einem heute gefuehrten Telefonat nochmal erinnern.


Brief vom 18. März 2015:

Grüß Gott alle zusammen,

heute bin ich, nachdem ich mal wieder einige Wochen mit dem Beschaffen einer Erlaubnis zum Betrieb unseres Hauses verbracht habe, in der Lage, mir meinen Ärger von der Seele zu schreiben.

Die Idee der Eroeffnung eines Hauses fuer Aidswaisen als solche wird durchweg begrüßt, es hapert aber grundsätzlich an der Umsetzung. Bereits im Oktober letzten Jahres war ich bei dem zuständigen Ministerium, um die Konzeption vorzustellen und um eine Genehmigung zu bitten. Dabei kam ich in Kontakt mit zwei Damen: der zuständigen Sozialarbeiterin und der „Permanent Secretary", die an einem leergefegten Schreibtisch saß und offensichtlich Däumchen drehte. Die Sozialarbeiterin fand das Engagement sehr gut und kündigte an, das Haus begutachten zu wollen, wenn die Räume bezugsfertig eingerichtet seien. Die „permanente Sekretärin = Staatssekretärin", Mrs. Gbanite,  bat – nachvollziehbar – um Vorlage einer englischen Version unserer Vereinssatzung. Beide Punkte wurden in relativ kurzer Zeit erledigt. *

Dann kam Josef in meine Obhut, und ich hatte zunächst keine Zeit mehr, die Dinge energisch zu verfolgen. Das habe ich erst wieder Ende Januar aufgenommen. Zwar hatte ich immer mal nachgefragt, aber ohne größeren Druck. Ende Januar nun rief ich der Sozialarbeiterin an, die mir mitteilte, dass sie sich gerade über den gesamten Februar hinweg in Urlaub begeben habe. Sie werde sich um die Angelegenheit nach ihrer Rückkehr kümmern. Am 09.03.2015 brachte ich uns ein weiteres Mal in Erinnerung. Dabei führte sie – um 9.00 Uhr vormittags – aus, sie begebe sich gerade eben in ihr Büro. Leider könne sie sich nicht mehr daran erinnern, was sie der Dame „permanent Secretary" von mir ausgehändigt habe. Das Beste sei, ich würde das Papier nochmals ausdrucken und direkt bei dieser Dame vorbeibringen. Sie selbst sei ohnehin nicht in die Entscheidung eingebunden, werde sich zu gegebener Zeit zur Besichtigung des Hauses bei mir melden. Ich druckte also ein weiteres Mal aus, fuhr ein weiteres Mal in das Ministerium und begab mich zu Mrs. Gbanite. Und jetzt wurde es spannend: sie teilte mir nämlich mit - immerhin fast 5 Monate nach dem Erstgespräch - , dass es im Staate Enugu grundsätzlich nicht möglich ist, ein Heim für Aidswaisen zu betreiben. Ich hörte einen mir auch aus Deutschland wohl bekannten Satz: „Es ist immer besser, Kinder innerhalb der Herkunftsfamilie zu belassen." Nicht zum ersten Mal war ich dankbar dafür, meine Argumente stichhaltig vorbringen zu können. Zunächst brachte ich meine Verwunderung zum Ausdruck, dass ich diese Information erst jetzt erhalte. Frau Staatssekretärin meinte, dies bereits vor Wochen zu Frau Sozialarbeiterin gesagt zu haben. Sie habe ihr wohl nicht richtig zugehört. Es sei auch so, dass in anderen Bundesstaaten Nigerias solche Heime betrieben würden, aber halt nicht in Enugu. Zwar seien schon verschiedentlich Anträge gestellt worden, die Situation zu verändern – leider erfolglos. Vielleicht könne dies zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

Dann erklärte ich der Dame, dass es zwar lobenswert und auch wünschenswert sei, Waisenkinder in ihrer Famie, bei z.B. Oma und Opa oder Onkel und Tante aufwachsen zu lassen, dass sie mir aber sicher zustimme in meiner Einschätzung, dass die Realität für diese Kinder z.T. mehr als prekär sei. Vielen Angehörigen fehle der finanzielle Hintergrund, zu ihrer eigenen Kinderschar noch die Kinder der verstorbenen Verwandten aufzunehmen, ihnen eine angemessene Unterkunft, Nahrung und Ausbildung zu geben. Durch diese Praxis würden viele Kinder in Armut fallen. In allen Punkten, und das rechne ich Mr. Gbanite hoch an, hat sie mir zugestimmt. Sie meinte jedoch, an der Gesetzeslage leider nichts ändern zu können  und schickte mich zu einem anderen Abteilungsleiter. 

Auch diesem sehr freundlichen Herrn schilderte ich mein Anliegen. Mr. Amoke unterzog mich dann einigen Tests: erst wollte er von mir wissen, was „Olileanya" heißt. Diese Frage konnte ich zu seiner Zufriedenheit beantworten. Als er dann aber begann, auf Igbo mit mir zu reden, musste ich passen, was er mir großzügig verzieh. Danach interessierte ihn, wie wir den Unterhalt der Kinder zu finanzieren gedenken. Meine Erklärung, dass wir vom nigerianischen Staat kein Geld erwarten, sondern die überschaubare Zahl der Kinder über Einnahmen durch Patenschaften versorgen, verwunderte ihn offensichtlich. Er war aber positiv überrascht, zog eine Schublade auf, holte einige Bogen Papier heraus und setzte handschriftlich einen Antrag an den „Hon. Commissioner" auf. Zwei Versionen verwarf er, die dritte händigte er mir aus und wies mich an, sie in eine offizielle Form zu bringen und im entsprechenden Büro abzugeben. Der Begriff „Aidswaisen" taucht in dem Schreiben nicht auf. Der Antrag zielt auf eine Genehmigung ab, „arme und bedürftige Kinder" aufnehmen zu können. Dabei ist uns Beiden klar, dass ich dann mit dem Zertifikat mache, was ich will. Gestern habe ich das Schreiben abgegeben, unsere Statuten auf englisch drangehängt, mit vorzüglicher Hochachtung und überhaupt.* 

Sehr verärgert bin ich über den Umstand, dass diese vermutlich doch sehr grosse Personengruppe von offizieller Seite einfach unter den Tisch gekehrt wird. Jedes Bundesland verfährt offensichtlich nach eigenem Ermessen. Waisen und ausgesetzte Kinder oder solche, deren Mütter abgetaucht sind, werden bevorzugt zur Adoption vermittelt. Die Adoptiveltern bezahlen hierfür viel Geld, so dass es ein gutes Geschäft für den Staat ist. Kinderlosigkeit ist in Nigeria eine Schande, dadurch sind Adoptionen an der Tagesordnung. Sehr wichtig ist es auch, männliche Nachkommen zu haben. Aidswaisen sind durch Infektion über die Mutter jedoch oft ebenfalls HIV-positiv und damit nicht für eine Adoption zu vermitteln, wie auch Josef auf diesem Markt nie eine Chance gehabt hätte. Das Bundesland Enugu schützt sich also vor einer nicht zu kalkulierenden Anzahl der betroffenen Kinder, indem es diese kurzerhand der Familie oder sich selbst überantwortet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Familie diese Aufgabe übernehmen kann oder nicht. 

Nun aber zu mutmaßen, dass in Deutschland doch alles besser, größer, schöner ist, geht an den Tatsachen vorbei. Auch in deutschen Amtsstuben werden Entscheidungen getroffen, die um Lichtjahre von den offiziellen Vorgaben entfernt sind. Offensichtlich geht es überall darum, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Diesen Kampf habe ich nun auch in Enugu aufgenommen. Es ist ja nicht so, dass ich mich um eine solche Aufgabe prügle. Andererseits macht es auch Spaß, zu erleben, dass die Argumente der Oni Ocha greifen. Wenn nötig, werde ich den Antrag nochmals und nochmals und nochmals umformulieren, bis ich das gewünschte Ergebnis erhalte. 

Ansonsten läuft hier alles seinen gemächlichen Gang. Die Trauer um Josef ist nicht mehr ganz so heftig, wird mich aber für immer begleiten. 

Ich habe begonnen, aus afrikanischen Stoffen Taschen zu nähen, die spätestens im Sommer zum Verkauf kommen sollen. Weiter habe ich inzwischen fünf Termine zu Informationsveranstaltungen während meines Sommeraufenthaltes in Deutschland. Ich freue mich sehr darauf, über die Lebensumstände in Emene berichten zu dürfen: über die der Einheimischen, und über meine eigenen. 

Im Moment warten hier alle auf den großen Regen. Es gab bereits 2 – 3 größere Gewitter; in den letzten Wochen herrschte aber wieder eine drückende Hitzeperiode, die den Schweiß aus allen Poren treibt und auch nachts keine Abkühlung bringt. 

 

Herzliche Grüße nach Deutschland – Eure Gabi

*ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an Beate Schittenhelm, die in hervorragender Art und Weise kompetent und prompt ins Englische übersetzt. 



Brief vom 3. Februar 2015:

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
liebe UnterstützerInnen von Olileanya,

in den letzten zwei Monaten haben wir nahezu ausschliesslich ein schwerkrankes, einjähriges Kind in seiner letzten Krankheitsphase begleitet. Unser kleiner Josef ist trotz aller Bemühungen am letzten Donnerstag verstorben. Sein Schicksal hat uns tief berührt. In aller Trauer sind wir dankbar über die Zeit, die er mit uns verbracht hat und in der wir für ihn sorgen durften. 

Dankbar bin ich vor allem aber auch über die grosse Anteilnahme aus Deutschland. Durch zahlreiche Spenden war es möglich, wenigstens einen Teil der seit Mai letzten Jahres aufgelaufenen Behandlungs- und Krankenhauskosten zu bezahlen. Auf diesem Wege möchte ich allen herzlich danken, denn nur durch diese Hilfe war es möglich, dass die Operation ausgeführt werden konnte, die für eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes so dringend erforderlich war. Leider hat sie nicht zum Erfolg geführt. Heute wurde Josef beerdigt. 

Diese traurige Erfahrung wird uns aber in keiner Weise entmutigen. Vielmehr ist sie Ansporn, anderen Kindern in Not die Zuwendung und Hilfe zu geben, die sie so dringend benötigen. Wie überall auf der Welt sind es die Kinder, die unter den hier herrschenden, z.T. katastrophalen Bedingungen ums Überleben kämpfen und viel zu oft verlieren. 

Meinen Sommeraufenthalt in Deutschland möchte ich dazu nutzen, unsere Arbeit und deren Zielsetzung einem größeren Personenkreis bekannt zu machen. Solltet Ihr / sollten Sie Interesse an einer Informationsveranstaltung haben, melden Sie sich bitte per Mail bei mir. Ich werde mich von Ende Juni bis vermutlich Ende Juli / Anfang August in Rottweil aufhalten, bin aber auch gerne bereit, in andere Landkreise zu kommen. Ich dachte an Vorträge in Kirchengemeinden, vor Schulklassen, Flüchtlingsorganisationen und politischen Gremien. Es ist zu einfach, Nigeria ausschliesslich mit Boko Haram und Korruption in Verbindung zu bringen - diese internen Katastrophen bestehen mehr oder weniger beachtet seit vielen Jahren. Etwas ganz anderes ist es, hier vor Ort zu sein, das tägliche Bemühen der “kleinen Leute” zu sehen und einen Blick hinter die Kulissen zu haben. 

Ich lade Sie dazu ein, nicht wegzuschauen. 

Herzlich – Gabriele Ayivi


Brief vom 20. Dezember 2014:

Fast 2 Monate nach dem letzten Bericht:

inzwischen ist es kurz vor Weihnachten – fuer mich eine total neue Erfahrung, in einem Dezember abends in der Daemmerung barfuss die Pflanzen in dem inzwischen angelegten Garten zu giessen. Vor ca. 2 Wochen ist der Harmattan hier angekommen, verbunden mit noch mehr Staub als normalerweise. Es regnet nicht mehr, dafuer ist es jetzt fruehmorgens und abends angenehm kuehl.

Gleichzeitig ist es meine erste Adventszeit ohne Kerzenlicht, mein erster Dezember ohne Handschuhe, Stiefel und Muetze. Fremd, aber nicht schlecht.

Mittlerweile haben wir extrem turbulente Zeiten hinter uns. Im November wurde voellig unvermittelt das erste Kind aufgenommen, ein kleiner Junge mit bis dahin nicht operiertem Hydrocephalus (im Volksmund Wasserkopf) als Folge eines “offenen Rueckens”, der notfallmaessig operiert ist. Er war mir im Hospital aufgefallen, wo er bereits Ende Mai aufgenommen worden war, angeblich ausgesetzt in einer nahegelegenen Kirche. Eine sehr ruehrige ortsansaessige Organisation, die sich um Kinder mit seinem Krankheitsbild kuemmert, hatte monatelang versucht, an Gelder fuer eine Operation zu kommen – vergeblich. Zahlreiche Kinder werden hier an mehr oder weniger belebten Stellen abgelegt in der Hoffnung, dass sich jemand um sie kuemmert. Josef – so wurde er zwischenzeitlich genannt – ist ca. 12 Monate alt, ist aufgrund mangelnder Foerderung in der Entwicklung stark zurueckgeblieben. Er ist aber hellwach, saugt alles auf wie ein Schwamm, was ihm angeboten wird. Es ist sehr bewegend, wie froehlich und dankbar dieses Kind ist nach all den negative Erfahrungen seines bisherigen Lebens, das von Schmerzen und Vernachlaessigung gepraegt ist. Vor nahezu 2 Wochen wurde die Operation des Hydrocephalus im hiesigen Hospital durchgefuehrt, vorgestern durften wir wieder nach Hause gehen. Nun plagen wir uns mit den Nachwehen der Operation herum. Josef hat Lachen und Brabbeln wieder eingestellt. Er scheint all seine Energie darauf zu konzentrieren, Fieber, Kraempfe, medikamentoes bedingte Durchfaelle etc. zu ueberwinden – ein ueberaus beeindruckendes kleines Wesen.

Bilder: Josef, vor und nach der OP


Im Moment haben wir etwa die Haelfte der erforderlichen Krankenhaus- und Arztkosten seit Mai 2014 zusammengekratzt. Allen bisherigen Spenderinnen und Spendern moechte ich herzlich danken! Eine Aufstockung ist dennoch jederzeit aeusserst willkommen.

Auf der anderen Seite arbeiten wir weiterhin daran, eine offizielle Genehmigung fuer unser Haus zu bekommen. Die Papiere liegen den entsprechenden Institutionen vor, jetzt fehlen noch die Stempel. Zwei Kinder stehen in der Warteschleife, ein Geschwisterpaar von 8 und 12 Jahren, dessen Eltern an Aids verstorben sind.

Auf der Website findet sich auch ein entspechendes Papier zur Uebernahme von Patenschaften und die entsprechenden Erlaeuterungen. Wir sind also endlich da, wo wir urspruenglich hin wollten!

Fast nebenher hat auch die erste Augenoperation stattgefunden. Gestern war die Frau namens Christina zur ersten ambulanten Nachkontrolle im Hospital. Sie ist uebergluecklich, betastet meine fuer sie sehr ungewoehnlichen Haare und kommt generell aus dem Staunen ueber diese wieder sichtbare Welt nicht heraus. Leider kann ich das kleine Video, auf dem sie vor Freude tanzt, nicht einstellen – mein aktuelles Mailprogramm laesst die Ueberspielung von Daten dieser Groesse nicht zu. Ich werde es bei meinem naechsten Besuch in Deutschland nachholen.

Bild: Christine erfährt, dass sie operiert werden kann




So kurz vor Weihnachten und Neujahr bleibt mir nur noch, allen fuer die Unterstuetzung – ob finanziell oder durch gute Gedanken, Wuensche und Aufmunterung – zu danken. Es ist nicht uebertrieben, wenn ich sage, dass ich mich unbaendig auf 2015 freue, auf weitere Herausforderungen, auf weitere Erfahrungen, ueber Menschen, die mich begleiten.

Wir sind auf dem Weg – Gabi Ayiv

Link zum Fotoalbum zu diesem Brief



Brief vom 26. Oktober 2014:

Liebe Freunde, liebe Familie, lieber Rest der Welt, der Olileanya mit guten Wünschen und finanzieller Unterstützung begleitet.

Seit dem 25.09.2014 sind wir jetzt endgültig nach Emene übergesiedelt. Es waren nochmals anstrengende 3 Monate in Deutschland, bis endlich die wichtigsten verwaltungstechnischen Dinge organisiert waren. 

Das Ankommen hier nach so langer Abwesenheit war ein Mix aus froher und banger Erwartung. Endlich hatten wir eine längere Phase zur Verfügung, in der Möbel aufgestellt und Kartons ausgepackt werden konnten. Andererseits war es klar, dass das Haus jetzt erst mal einem Belastungstest unterworfen ist. Klappt alles so, wie wir es uns gedacht haben? Was sehr schnell deutlich wurde: Der Staub dringt durch alle Ritzen, und allenthalben müssen bereits jetzt Nachbesserungen durchgeführt werden. 

Trotzdem sind fast alle Kisten ausgepackt und deren Inhalt an Ort und Stelle geräumt. Jetzt kommen die Feinarbeiten wie Bilder aufhängen und – meine Lieblingsdisziplin – bereits der erste Umzug von dem einen in ein anderes Zimmer. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass wohl weniger Babys als ursprünglich geplant hier einziehen werden, weil der Bedarf an Plätzen für ältere Kinder größer ist. In den letzten Wochen wurden fleißig Betten gebaut sowie ein weiterer Tisch für das Nähzimmer. Die Betten werden hoffentlich in den nächsten Tagen fertig, dann fehlt nur noch der Fußbodenbelag in den Kinderzimmern und dann stehen auch diese zur Aufnahme bereit. Ich freue mich so auf's Einräumen! Zwei Geschwisterkinder sind bereits angekündigt. Sobald dies konkret wird, werde ich Euch / Sie detailliert unterrichten. 


Link zum Fotoalbum zu diesem Brief







Im Nähzimmer wird bereits gewerkelt. Das Auspacken meiner „Schätze“ aus Deutschland war wunderschön. Vor Weihnachten wird es aber wohl nicht mehr klappen, diesen Raum für eine afrikanische Schneiderin und 2 Schülerinnen zu öffnen. Erst einmal möchte ich die Aufnahme von Kindern auf den Weg bringen. Auch wenn Ebola in Nigeria Gott sei Dank kein großes Thema war, ist die Not doch sehr, sehr groß. Die Armut ist allgegenwärtig und hinterlässt ihre Spuren. 

Durch eine sehr wertvolle Einzelspende sind wir in der Lage, noch vor Weihnachten mehrere Augenoperationen durchführen zu können. Ein Tropfen auf einen heißen Stein – und dennoch ein so großes Geschenk für jemanden, bei dem die völlige Erblindung abgewendet werden kann. 

Nochmal möchte ich in Erinnerung bringen, dass Spenden mit einem entsprechenden Vermerk versehen werden können wie „augenärztliche Ambulanz“ oder „Waisenkinder“. Nicht spezifizierte Gelder kommen in den großen Topf und werden für noch notwendige Anschaffungen verwendet. 

Eine Information für diejenigen, die in Rottweil und Umgebung leben: Am 22.11. von 13:30 Uhr bis ca. 18 Uhr findet im Café „Bienenkönigin“ in Zimmern o.R. ein Adventsmarkt zu Gunsten von Olileanya e.V. statt, in dem selbst Gestricktes, selbst Genähtes und Gebasteltes verkauft wird. Hierzu sind Sie herzlich eingeladen. 

Herzliche Grüße aus Nigeria und einen wirklich weiterhin überwiegend goldenen Herbst – 

Gabriele Ayivi



Nachfolgend ein Statusbericht Stand August 2014, darunter ein älterer Bericht Stand November 2013.


Seit meiner letzten Berichterstattung sind nun schon wieder einige Monate vergangen, in denen sehr, sehr viel passierte:

Ab Anfang 2014 wurde der ayivische Haushalt in Zimmern aufgelöst, Ende Februar rollte der Con­tainer mit unseren Habseligkeiten Richtung Hamburg zur Verschiffung nach Nigeria vom Hof. We­nige Tage später habe ich nach fast genau 20 Jahren meine Zelte in Zimmern abgebrochen, um zu­nächst in eine Wohngemeinschaft im Landkreis Rottweil umzuziehen. Am 03.05.2014 erfolgte dann der große Schritt der endgültigen Ausreise nach Nigeria.

Und ab dem 05.05.2014 durfte ich den Innenausbau eines noch im Rohzustand befindlichen Hauses übernehmen. Zeitweilig fühlte ich mich wie auf einem Zeltlager: Matratze auf dem Boden, Kochen auf einem 2-Flammengaskocher (bis heute!), die Ausstattung auf ein Minimum heruntergeschraubt. Der Inhalt des Containers war immerhin schon auf vier Räume innerhalb des Hauses verteilt. Mein Alltag bekam die Qualität einer permanenten Ostereiersuche. Um so größer die Freude, wenn ich aus den diversen Stapeln oder Kartons das Gesuchte herausfischen konnte!

Inzwischen hat sich dieser Zustand nachhaltig verbessert: alle Räume haben einen Fliesenbelag, die Wände sind gestrichen, die sanitären Anlagen voll funktionsfähig. Teilweise konnten wir auch be­reits mit der Möblierung beginnen. Es geht voran und macht sehr, sehr viel Spaß. Wunderschön auch das Geräusch des nächtlichen Prasseln gigantischer Regenfälle auf das nun endlich eigene Dach, die hoffentlich bald die hauseigene Zisterne für die kommende Trockenzeit füllen.

Einmal wöchentlich durfte ich mich bei den Einsätzen der augenärztlichen Ambulanz auf die Dörfer der weiteren Umgebung von der Arbeit am Bau „erholen“. Diese Sprechstunden, entweder in einer Kirche oder auf einem Markt unter freiem Himmel abgehalten, sind sehr eindrücklich. Auch wenn wir nur in sehr eingeschränktem Rahmen eine Diagnostik durchführen können, wird die Anwesen­heit des Teams doch mit großer Freude angenommen. An einem Sonntag haben uns im Anschluss an den Gottesdienst nahezu 100 Menschen mit den verschiedensten Krankheitsbildern konsultiert. Um 17.00 Uhr haben wir diese Aktion abgebrochen, weil die Arbeit in einem extrem heißen Klima auch unter schattenspenden Mangobäumen doch sehr, sehr anstrengend war. Aber wir haben versprochen, demnächst wieder zu kommen. Immer beeindruckt mich die Geduld der Wartenden, die z.T. stundenlang unter praller Sonne ausharren, bis sie ihre Beschwerden vortragen können.

Am 21.06.2014 wurden die Bauarbeiten offiziell für beendet erklärt. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Arbeiterinnen und Arbeitern, die im wahrsten Sinne im Schweiße ihres Angesichts an diesem Projekt mitgewirkt haben. Auch wenn es ab und zu Differenzen gab zwischen afrikanischer und schwäbischer Auffassung, haben wir ausgesprochen gut zusammengearbeitet. Das Klima auf der Baustelle war insgesamt von großer Kooperation geprägt und wir konnten die unterschiedlichen Sichtweisen immer verträglich klären. Besonders hervorzuheben ist, dass nahezu keine Maschinen im Einsatz waren, sieht man von einem Elektrobohrer und einem Schweißgerät ab. Alles, was mit zumeist großer Professionalität gefertigt wurde, ist Zeugnis einer hier noch vorhandenen Handwerkskunst in einer Umgebung, in der Elektrogeräte Mangelware sind und das Vorhandensein von Elektrizität dem Zufall überlassen ist.

Eine sehr schöne Begegnung war auch der Besuch von Mary Cynthia. Zu unserer großen Freude konnte „Olileanya“ ihr das Schulgeld für das kommende Jahr aushändigen, das im Rahmen einer Einzelspende für diesen Zweck überlassen wurde. Ein ganz besonderer Dank geht an dieser Stelle an meine frühere Kollegin, Frau F.

Leider musste ich meine Aktivitäten Ende Juni 2014 unterbrechen, da zum einen die Jahreshauptversammlung von Olileanya anstand, weiterhin eine Verlängerung des Aufenthaltsvisums. Nach meiner Rückkehr steht die Möblierung der Kinderzimmer an. Parallel dazu wird mit einer Selbsthilfegruppe HIV-infizierter Frauen besprochen, welche Kinder am dringendsten Unterstützung benötigen. Diese werden dann entsprechend stufenweise im Haus aufgenommen und künftig dort leben. Link „Patenschaften“ folgt in Kürze. 

Dalu ka odi mgbe ozo – Machts gut bis zum nächsten Mal!






Link zum Fotoalbum „Hausbau OLILEANYA in Emene / Nigeria"






Gabi Ayivi berichtete zum Stand des Projekts im November 2013:

Seit unserer Rückkehr Ende April (2013) sind wir mit dem Wechsel von Zimmern o.R. nach Emene in Riesenschritten vorangekommen: 

Das Haus in Zimmern ist seit einigen Wochen verkauft. Bereits im Sommer hat Marcel die Bühne und den Keller leer geräumt. Im Oktober fand ein Besichtigungstermin statt. Der Käufer war vom Häusle so angetan, dass die Entscheidung eines Eigentümerwechsels bereits eine Stunde später gefällt war. Räumungstermin ist Ende Februar, bis dahin müssen auch der letzte Nagel aus der Wand und das letzte Poster abgehängt sein. Möbel und Hausrat werden in einen Container gepackt und schwimmen nach Lagos. 

In Erwartung des Verkaufspreises hat uns die Bank einen Zwischenkredit gewährt, so dass Marcel Mitte September nach Emene fliegen und mit der ersten Etappe des Hausbaus beginnen konnte. Er hat die einzelnen Schritte fotografisch dokumentiert, eine kleine Auswahl wird hier veröffentlicht. Es fällt mir schwer, nicht direkt dabei zu sein! Ich bin allerdings bis obenhin mit der Auflösung meines Büros und der weiteren Planung beschäftigt. Die letzten und die noch kommenden Monate werden wahrscheinlich die arbeitsintensivsten meines bisherigen Lebens sein!


Zum besseren Verständnis lege ich die einzelnen Punkte der Eigentumsverhältnisse und die damit zusammenhängenden
aktuellen Bedürfnisse dar:

Das Grundstück in Emene gehört der Trägerorganisation des benachbarten Krankenhauses „Annunciation Specialist Hospital“, der Kongregation der „Daughters of Divine Love“. Es wurde mir für die Umsetzung des Projekts zur Verfügung gestellt. Das gerade entstehende Haus gehört mir und wird vollständig aus privaten Mitteln aus dem Verkauf meines Hauses in Deutschland finanziert. Die gemeinsam genutzten Räume wie Wohnzimmer, Esszimmer und Küche sowie mein Schlafzimmer und das Gästezimmer werden mit den Möbeln bestückt, die schon in Deutschland genutzt wurden. Auch das Nähzimmer werde ich weitestgehend mit eigenen Dingen einrichten können.

Zu möblieren sind deshalb „nur“ noch die drei geplanten Kinderzimmer. 

Um eine gesunde Mischung herzustellen, planen wir verschiedene Altersgruppen: drei Säuglinge oder Kleinkinder, drei Kinder im Kindergartenalter und drei Kinder, die schon zur Schule gehen. Für die Kleinsten benötigen wir drei gut erhaltene Gitterbettchen und eine Wickelkommode, weiterhin zwei Hochstühlchen. Willkommen sind auch Spielsachen wie Lego, Fischer-Technik oder Holzbausteine. Wer so etwas im Keller oder auf dem Speicher lagert und nicht mehr benötigt, kann sich bitte, bitte melden. Die restlichen Möbel möchte ich bei einem ansässigen Schreiner in Auftrag geben. Hier sind wir dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Bereits jetzt werben wir für die Übernahme von Patenschaften der neun Kinder, die bei uns leben werden. Vier Interessenten haben sich schon gemeldet, ihnen möchte ich herzlich danken. Es wäre schön, wenn es mehr werden! Natürlich wird jedes einzelne Kind vorgestellt. 

Am 20.11.2013 fliege ich zusammen mit Marcel wieder nach Emene: zum einen, um die konkreten Ausmaße der einzelnen Räume festzulegen, zum anderen, um mit Sr. Jane und Sr. Josefa die weitere Planung zu besprechen. Sr. Josefa ist im Hospital zuständig für die Diagnostik und Therapie HIV-positiver Frauen und Kinder. Sie weiß unmittelbar, welche Kinder dringend unsere Unterstützung benötigen. 

Ich selbst werde Ende November wieder nach Deutschland kommen, um die endgültige Abwicklung des Büros zu organisieren. Marcel bleibt bis Ende Januar 2014 in Emene, um das Haus möglichst weitgehend fertigzustellen. 

Zwei Dinge müssen auf jeden Fall noch berichtet werden:

Im Mai konnten 21 Krankenhausbetten nebst Matratzen und Nachttischchen aus dem Rottweiler Krankenhaus nach Lagos verschifft werden. Die Logistik war eine große Herausforderung. Wir sind ja nur wenige Menschen, und Marcel hatte alle Hände voll zu tun, um alles möglichst platz- und damit kostensparend in einen Container zu packen. Von den damit verbundenen Telefonaten bis zur Ankunft in Emene viele, viele Wochen später möchte ich gar nicht erst berichten. Inzwischen ist alles an Ort und Stelle, wieder zusammen geschraubt und in Gebrauch. Ich hoffe, dass wir nach und nach alle alten Betten austauschen können. 

...

Auch wenn es sicherlich sehr anstrengend wird, freue ich mich jetzt erst mal auf eine Woche Wärme satt und inspirierende Begegnungen, bevor ich zum Endspurt in Deutschland ansetze. 

Eure / Ihre Gabriele Ayivi