Reisebericht 04.- 25. April 2013


Ein weiteres Mal traten wir die Reise nach Emene zu zweit an: dieses Mal begleitete mich Marcel Nwosu. Ich war sehr froh darüber, in ihm jemanden zu haben, der Igbo spricht und die Mentalität seiner Landsleute kennt. 

Nach einem wunderschönen Flug ab Frankfurt (die Hektik auf dem Stuttgarter Bahnhof ist bereits vergessen) landeten wir in Abuja bei 34° C und verbrachten die obligatorische Wartezeit bis zum Weiterflug nach Enugu am nächsten Tag in einer Zweigstelle der Daughters of Divine Love (Ordensgemeinschaft, die u.a. das Annunciation Specialist Hospital in Emene unterhält und ihren Hauptsitz in Enugu / Nigeria hat). Dieser Zwischenaufenthalt ist eine Geduldsprobe, erledigt sich aber hoffentlich in naher Zukunft, wenn der Flugplatz in Enugu fertiggestellt ist und größere Kapazitäten bei An- und Abflügen ermöglicht. 

Obwohl ich glücklich war, am 05.04. endlich in Emene zu sein, musste ich die ersten drei Tage sehr langsam angehen, bis ich mich einigermaßen akklimatisiert hatte. Ab Montag war ich so weit hergestellt, dass wir unser Programm in Angriff nehmen konnten:

Der erste Besuch galt natürlich der augenärztlichen Ambulanz des Annunciation Hospitals Emene und dem im Dezember verschifften VW-Bus, der mit einem neuen Nummernschild und einer entsprechenden Aufschrift versehen der ganze Stolz der Mitarbeiter dieser Abteilung der Klinik ist. 


Auch die aus der Schweiz gespendete Technik wird bereits rege eingesetzt. 


Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an unser Gründungsmitglied Martina Landsmeer und ihren Mann Klaus Lischka!


Am 12.04.2013 besuchten wir Mary-Cynthia im Internat der „Holy Child Secondary School Isuofia“ (https://www.facebook.com/holychildisuofia).  Mit dem Schulgeld für das kommende Schuljahr konnten wir ein für sie völlig überraschendes und überwältigendes Geschenk mitbringen. Sie hat sich unendlich gefreut und dankt allen, die sich an den Spenden beteiligt haben. Mit ihr besuchen über 300 Jugendliche die gleiche Jahrgangsstufe, in ihrer Klasse sind es alleine 86 Schülerinnen und Schüler. Im Juni wird sie die Abschlussarbeiten für dieses Jahr absolvieren und hat versprochen, hierüber zu berichten. 


Bereits am nächsten Tag hatten wir einen weiteren sehr wichtigen Termin: dieses Mal ging es um den Hausbau in Emene. Marcel hatte einen Bauunternehmer eingeladen, der sich über das Projekt informieren wollte. Nachdem ich zwar das Grundstück bereits kannte, nahm das Unternehmen nun doch durch die Begehung eines Fachmannes konkretere Formen an. 

Wir hatten zuvor bereits in Deutschland Ideen entwickelt, mussten diese in der Diskussion jedoch den Gegebenheiten anpassen. Der Traum eines Lehmhauses wird sich nicht verwirklichen lassen. Ich konnte mich aber mit Bartholomäus und Marcel auf die Alternative von gebrannten Ziegeln einigen. 




Am Montag darauf fand die Jungfernfahrt des Ambulanzbusses der Augenklinik statt, mit Sicherheit eines der Highlights unseres Aufenthaltes! Geplant war der Besuch zweier Dörfer in ca. 60 km Entfernung. Die erste Sprechstunde fand in der katholischen Kirche statt, die mit wenig Aufwand für diese Zwecke ausgestattet wurde. 

Mit großer Geduld warteten die mehr als 70 Patientinnen und Patienten, bis sie an der Reihe waren. Alle hatten sich zu Ehren des Doktors sonntäglich gekleidet, viele suchten überhaupt zum ersten Mal einen Augenarzt auf. Für einen Patienten allerdings kam die Hilfe zu spät: er hatte sich bereits von einem Naturheiler „helfen“ lassen, der Eingriff führte zur Erblindung. 

Leider kommen solche Behandlungen nicht selten vor. In den abgelegenen Dörfern haben Wunderheiler leichtes Spiel, die Schäden sind meist nicht mehr zu beheben. 

Aber auch die Menschen, denen geholfen werden könnte, sind hiervon oft weit entfernt. Die Operation eines grauen Stars kostet im Annunciation Spezialist Hospital aktuell 135 € pro Auge (vgl.: ambulante OP in einer Klinik in Ba-Wü. Zwischen 520 – 550 €, die der gesetzlichen Krankenversicherung in Rechnung gestellt werden). 135 € sind jedoch unbezahlbar für jemanden, der sich nicht einmal eine Busfahrt ins Krankenhaus leisten kann. So führt eine Erkrankung, die normalerweise mit geringem Aufwand zu beheben wäre, zwangsläufig zur Erblindung und damit in völlige Abhängigkeit von Verwandten oder der Dorfgemeinschaft. 





Leider hatte die Kommunikation mit dem zweiten Dorf nicht gut funktioniert. Es gab keinen Untersuchungsraum, und nur zwei Patienten kamen zur Untersuchung, so dass diese unter freiem Himmel stattfand:


Um ca. 18.00 Uhr kamen wir von dieser beeindruckenden Tour wieder zurück – erschöpft, aber glücklich. 

Dr. Eze plant mit Sr. Jane, eine Aufnahme in das Projekt „Vision 2020“ zu beantragen. Diese Initiative vielfältiger Gruppierungen verfolgt neben vielen anderen das Ziel, den Zugang zur Behandlung von Augenkrankheiten maßgeblich zu verbessern, die in Afrika, Asien und Lateinamerika ohne adäquate Therapie zur Erblindung führen. Neben diesen eher theoretischen Projekten besteht jedoch aktuell die dringende Notwendigkeit, konkret unterstützend tätig zu werden. Mit dem Ambulanz-Bus, der Information, Prävention und Behandlung auch in entlegene Ecken des Staates Enugu transportiert, konnte hier ein erster Grundstein gelegt werden. 

Am nächsten Tag reiste Marcel nach Lagos weiter, um unsere nächste Aktion vorzubereiten: wir hatten von der Helios-Klinik Rottweil 22 „ausgemusterte“, jedoch hervorragend erhaltene Betten angeboten bekommen, die im Annunciation-Hospital hochwillkommen sind. Sie erleichtern die Arbeit der Pflegekräfte enorm, weil sie – für deutsche Verhältnisse völlig normal – mit einer vielfältigen mechanischen Hebetechnik ausgestattet sind (die Helios-Klinik stellt stufenweise auf „Elektrik“ um). In Lagos organisiert Marcel in der Zeit bis zur Rückkehr nach Deutschland die Logistik nach Ankunft des Containers in Lagos auf dem Landweg bis nach Emene. Durch den Bustransfer im Januar hat er ja inzwischen schon Erfahrungen gesammelt!

Am Ende der Woche durfte ich als ein großes Ereignis noch die Abschlussfeier der AbsolventInnen des letzten Krankenschwester- und Krankenpflegerkurses miterleben. 

Die Feier war ein Lehrstück des afrikanischen Zeitbegriffes: der Beginn war auf 12.00 Uhr festgesetzt, angefangen hat es um 14.00 Uhr. Marcel erklärt den Grundsatz: Ein Meeting beginnt, wenn alle da sind, und es hört auf, wenn jeder gesagt hat, was er sagen wollte…


Lasst Euch / lassen Sie sich von der überschäumenden Freude der jungen Menschen anstecken, die ein großes Ziel erreicht haben und damit eine Perspektive in die Zukunft besitzen! Es sind diese Momente, die über viel Elend, Mühsal und Ungerechtigkeit hinweghelfen. 

Mit viel Wehmut lasse ich auch dieses Mal Emene, das Annunciation Hospital, die Freundinnen und Freunde mit den offenen Armen, die Hitze, die gewaltigen Gewitter, die Musik, das Gehupe der Autos und alles andere hinter mir und kehre zurück ins Schwabenland.

Bis zum nächsten Mal…