Vor Ort in Nigeria

Das größte Projekt und die langfristig wichtigste Aufgabe von Olileanya e.V. ist die finanzielle und organisatorische Unterstützung der Vor-Ort-Arbeit in Emene/Nigeria von Gabi Ayivi (siehe Seite Projekte).

Gabi Ayivi ist 1. Vorsitzende von Olileanya e.V. und hat Ende 2013 altersbedingt  ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland beendet. Dabei von Ruhestand zu sprechen wäre denkbar unpassend. Sie ist im Mai 2014 nach Emene/Nigeria übersiedelt und hat dort aktuell 17 Kinder und Jugendliche bei sich aufgenommen. 

Olileanya e.V. wird für die Kinder Patenschaften in Deutschland vermitteln, aktuell und regelmäßig aus Emene berichten sowie für die Unterbringung und Ausbildung der Kinder Spenden sammeln.











Das Tor zum Hause "Nno" = Willkommen

Das Gebäude befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Announciation Specialist Hospital in Emene, Enugu, Nigeria


Rundbrief vom 5. Dezember 2022

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer von Olileanya, liebe alle, die uns schon lange begleiten oder von uns gehört haben und ganz gezielt aufrufen oder aus Versehen auf der Suche nach irgendwas über unsere Website stolpern und – glücklicherweise – darin hängen bleiben,

Ich weiß nicht, wie es Euch/Ihnen geht, aber an mir ist dieses Jahr nur so vorbei geflogen. Es fällt mir nicht leicht, aus dem Wirbeln die wichtigsten Ereignisse gezielt herauszugreifen. Jetzt sind wir schon wieder im Advent, Zeit also, innezuhalten und zu sortieren. Ein weiteres Mal möchte ich im eigenen Haushalt beginnen:

Haus Nno

Iruoma hat den Sprung an die Universität mit Bravour geschafft. Die Ergebnisse ihrer Abschlussprüfungen waren so gut, dass sie ohne weitere Auflagen einfach durchmarschieren konnte. Jetzt lebt sie auf dem Campus und wir sehen sie nur noch selten. Die Ausgangsregelungen sind sehr streng und ihre Tage sind mit Verpflichtungen vollgepackt. Ich hoffe, dass sie wenigstens über Weihnachten ein paar Tage mit ihren Brüdern zum Vater fahren kann.

Leider hat die Zuversicht über unsere seit Februar tätige neue Mitarbeiterin im Haushalt nicht lange angehalten. Sie brachte sehr viel Unruhe in den ohnehin mehr als turbulenten Alltag, weshalb ich mich zum 31.10 . ohne großes Bedauern wieder von ihr getrennt habe. Mary, 19 Jahre alt, ist das genaue Gegenteil: ruhig, gelassen, immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie fing am 01.11. mit der Arbeit an, es wäre schön, wenn dieser Zustand für einen längeren Zeitraum anhalten würde.

Bild: Mary



Okwudili hat sich in seiner Schneider-Werkstatt gut eingerichtet. Er ist dabei, sich einen Kundenstamm aufzubauen, hat gut zu tun. Es ist schön, dass er daneben immer noch Zeit findet, Reparaturen an den strapazierten Schuluniformen auszuführen und jetzt zu Weihnachten die Jungs neu einzukleiden. 




 





Bilder: Okwudili; die zwei neuesten Kleidungsstücke für Chiadi und Chibuike


Seit Anfang Oktober ist unser Haus wieder bis zum letzten Platz gefüllt: Esther, die ich bereits im letzten Rundbrief vorgestellt hatte, ist auf erklärten Wunsch ihrer Familie im Juli bei uns eingezogen. Damit ist gewährleistet, dass sie sich ausreichend ernährt und ihre Medikamente regelmäßig einnimmt.
Weiterhin hatte sich bereits seit Monaten abgezeichnet, dass die drei Kinder der im Dezember 2020 verstorbenen Frau Ugwu vom Vater sträflich vernachlässigt wurden. In der Folge stellten sich Fehlzeiten beim Schulbesuch heraus, die Leistungen bei den beiden Älteren waren miserabel. Nach längerer Prüfung und gründlichen Überlegungen haben wir den Jüngsten, den 7-jährigen Chisom (Bild rechts), und seine 15-jährige Schwester Blessing (Bild links) im Oktober hier aufgenommen.

Der 14jährige Sohn Christian blieb auf eigenen Wunsch beim Vater. Er weist bereits schwere soziale Beeinträchtigungen auf, denen mit dem hiesigen Setting nicht begegnet werden kann. Gott sei Dank wurde für die Kinder sehr schnell eine Patin gefunden. Vielen Dank hierfür nach Reutlingen.

Durch eine großzügige Spende aus Bingen konnten wir im Frühsommer endlich einen größeren Bus kaufen, in dem alle Kinder auf den Fahrten zur Schule und zurück einen Sitzplatz haben. Herzlichen Dank an den Rhein und an die Brunnengemeinde! Jetzt träume ich davon, ihn optisch aufzupeppen: aus schwarz mach bunt! Mal sehen, was daraus wird.

Bild: der Bus mit 14 Sitzen





Aufgrund der zunehmend prekären Sicherheitslage im Land findet unser Leben seit Monaten überwiegend innerhalb des Grundstücks statt. Die Kinder werden vom Fahrer morgens in die Schule und nachmittags wieder nach Hause gebracht. Das ist im Moment noch ausreichend. Die Stimmung im Land ist aufgeheizt, nicht nur aufgrund der massiv ansteigenden Inflation, die aktuell bei 22% angelangt ist. Wohin sich die Situation vor der für Mitte Februar 2023 geplanten Wahl eines neuen Präsidenten entwickelt, bleibt abzuwarten.

Einer unserer Höhepunkte für das Jahr 2022 fand im November statt: der neue Kassier von Olileanya hat uns für 2½ Wochen besucht. Dieser Besuch war für mich eine große Ermutigung. Endlich hatte sich jemand in die Höhle des Löwen gewagt. Es würde zu weit führen, jeden einzelnen Tag seines Hierseins zu schildern, für uns war es auf jeden Fall sehr schön, ihn hier zu haben


Bild: Christof und Martin zu Besuch

Ich hoffe, er findet Zeit und Gelegenheit, seine Eindrücke in einen eigenen Bericht zu packen und uns diesen für den nächsten Rundbrief zu überlassen.


Augenklinik

Leider befinden wir uns hier immer noch in der Warteschleife. Aktueller Stand der Dinge ist, dass das Gremium des deutschen Blindenhilfswerkes im Dezember eine Entscheidung über meinen im Sommer 2021 gestellten Antrag treffen wird.

Immerhin hat der Bus für die Ambulanz-Fahrten auf die Dörfer vor wenigen Tagen Ende November den Weg in einen Container und nach Antwerpen geschafft, wartet dort auf die Verschiffung nach Nigeria. Manchmal bin ich für die ganz, ganz kleinen Schritte dankbar.

Heute wurde ich daran erinnert, dass am 5. Dezember weltweit der Tag des Ehrenamtes gefeiert wird. Aus diesem Grunde bitte ich Sie/Euch ganz gezielt darum, unsere Augenklinik nicht aus dem Blick zu verlieren. Auch wenn die Fertigstellung hoffentlich finanziert wird, gibt es in unserer Region nach wie vor viele Menschen, die von vermeidbarer Erblindung bedroht sind. Einige von ihnen können nicht einmal die Fahrt aus einem weit entfernten Dorf in die Augenklinik finanzieren, ganz zu schweigen eine erforderliche Katarakt-Operation. Aus diesem Grund sind die Fahrten auf die Dörfer so wichtig. Dabei kann oft rechtzeitig erkannt werden, was dringend vonnöten ist.


Lepra-Camp

Zu meinem großen Bedauern hat der bisher tätige Physiotherapeut zum ersten November eine neue Stelle in einem anderen Bundesstaat angetreten und uns diese Information nur wenige Tage vor seinem Ausscheiden mitgeteilt. Seit einer Woche ist aber eine Physiotherapeutin für Herrn Nwatu tätig, die ich bereits kennenlernen durfte. Sie hat schon drei Behandlungseinheiten durchgeführt und ich hoffe, dass die Therapie so erfolgreich verläuft wie in der Vergangenheit.

Seit August 2022 gibt es eine neue Institution in unserem Wohnviertel, die
Annunciation Neighborhood Watch Initiative.
Sie wurde gegründet, nachdem der Zaun um den Transformator für die zugeschalteten Häuser von Dieben in der Nacht zerstört, das Öl abgelassen und gestohlen wurde und in der Folge die gesamte Nachbarschaft für mehrere Wochen ohne Elektrizität war. Jetzt sorgt eine nächtlich tätige Gruppe von Security-Männern für die Sicherheit der Straßen in unserer Umgebung. Für einen kleinen monatlichen Obulus kann man Mitglied dieser Vereinigung werden. Es wird gewährleistet, dass sich niemand nach 20.00 Uhr unberechtigt in unserem Viertel aufhält, nächtliche Diebstähle und Überfälle sollen durch diese Maßnahme minimiert werden. Ich bin so beeindruckt von dieser Eigeninitiative, dass ich ohne Zögern unsere Mitgliedschaft erklärt habe.

Foto rechts: Emblem Annunciation Neighborhood Watch Initiative 

Die Gruppe hat sich auch anderen Aufgaben verschrieben: Der Verbesserung der Umwelt, der Sauberhaltung der Umgebung, der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls. Die montäglichen Treffen finden unter zwei riesigen Mangobäumen statt und unterliegen dem afrikanischen Verständnis von Zeitmanagement. 

Foto links: Clean up 
Foto rechts: Sitzung unter den Mangobäumen 












Ich lerne sehr viel und finde vor allem Konfliktbewältigung in Igbo-Land beeindruckend: es wird so lange diskutiert , bis eine Einigung erzielt werden konnte. Und zum Schluss freuen sich alle und vertragen sich. Vor allem aber: alle haben alle Zeit der Welt, bis dieses Ziel erreicht wird. Es geht zuweilen temperamentvoll zu, aber niemals wird jemand beleidigt oder herablassend behandelt. Demokratie an der Basis auf höchstem Niveau! Seit ich Anfang September von einem Nachbarn zu diesen Treffen eingeladen wurde, weiß ich ein weiteres Mal: ich bin auf den richtigen Kontinent umgezogen, in das richtige Land, in die richtige Region in diesem so unwägbaren Nigeria ohne jegliche staatliche Fürsorge und hier wieder in den richtigen Winkel von Enugu, in das geruhsame und überwiegend friedliche Emene. Deshalb darf ich allen Freundinnen und Freunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz, all jenen, die sich um mich sorgen, versichern: Es geht mir gut, ich fühle mich behütet, habe keine Angst, ohne aber die nötige Sorgfalt außer acht zu lassen.

Fazit: Wenn alles andere versagt, erstarken die Kräfte innerhalb der Bevölkerung, sich zu organisieren und dem Gemeinwohl zu dienen. Das ist faszinierend und sehr nachahmenswert.

In diesen äußerst schwierige Zeiten verabschiede ich mich von Euch/von Ihnen für dieses Jahr. Es war ein äußerst turbulentes Jahr mit nur wenig tröstlichen Momenten, wenn ich auf die Umtriebe in der Welt blickte. Zuversicht hat mir – s. o. – mein Leben hier gegeben. Zusammen mit einigen anderen Gruppierungen und Mitstreitern weiß ich, dass wir etwas bewegen können mit unseren begrenzten Möglichkeiten. Ich kann mit Eurer/Ihrer wertvollen Unterstützung unsere Kinder auf den Weg in eine Zukunft bringen, die ihnen hoffentlich ein eigenständiges und eigenverantwortliches Leben erlaubt. Durch einen veränderten Blickwinkel können sie erkennen, dass es eine Welt gibt, die nicht nur geprägt ist von Gewalt, Raffgier und Korruption. Wenn ich das erreichen kann, bin ich zufrieden.

Ich möchte nochmal für unseren wirklich wunderschönen Kalender für 2023 werben und dazu ermuntern, diesen entweder zu verschenken oder selbst in der Stube oder im Büro aufzuhängen. Auch diese Aktion ist Teil unseres Einkommens!

Nun bleibt mir im ausgehenden Jahr 2022 nichts anderes, als Dir/Ihnen zu danken für Hilfsbereitschaft und Freundschaft. Bitte, bleib/bleiben Sie uns gewogen.

Ich wünsche Euch/Ihnen allen eine friedliche Adventszeit, Gesundheit und einen guten Wechsel ins neue Jahr!

Emene, den 05.12.2022

Eure/Ihre Gabi Ayivi




Spenden sind immer willkommen und notwendig
für die Arbeit von Olileanya e.V.

Unser Spendenkonto:

> Olileanya e.V. <

IBAN: DE07 6429 0120 0056 9550 06

(BIC: GENODES1VRW)

- Gemeinnützigkeit zuerkannt - 

!!! Zur Ausstellung/Übermittlung einer Spendenbescheinigung,
 bitte dringend die Adresse auf der Überweisung mit angeben !!!







Rundbrief vom 19. Mai 2022; Zweiter Teil des Rundbriefs vom 10,. April 2022

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, 
liebe Unterstützerinnen und Unterstützer von Olileanya,

ohne große Vorrede soll nun der bereits in Aussicht gestellte zweite Teil des Rundbriefes auf den Weg kommen. Dabei möchte ich den Haushalt an den Anfang stellen:

Okwudili hat seine Schneiderlehre nun endgültig abgeschlossen und arbeitet seit Kurzem selbständig hier im Haus. Ich bin sehr froh, dass er sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Er ist zwar einer der Ersten, der vor mittlerweile 7 ½ Jahren hier einzog, und damit der Älteste. Aber er hat noch einen weiten Weg vor sich, um die erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben, alleine zu leben.

Er soll nun im Nähzimmer eine gute elektrische Nähmaschine bekommen, von der er schon lange träumt. Vor Kurzem ist eine Einzelspende eingegangen, die ich hierfür verwenden darf. Nochmals vielen Dank an dieser Stelle nach Tübingen! Und dann kann er unter Anleitung lernen, Kunden zu werben, Kalkulationen zu erstellen, dem organisatorischen und kaufmännischen Bereich in seinem Beruf näherzukommen.

Bild links: Übergabe der Urkunde
Bild rechts: Urkunde


Bild links: Okwudili an der Nähmaschine
Bild rechts: die neue Nähmaschine













Iruoma zieht die ganze Sache genau entgegengesetzt auf: Auch sie hat das praktische Jahr in der Werkstatt abgeschlossen. Sie hat in den letzten Wochen mehrere Prüfungen abgelegt, um zum Studium zugelassen zu werden. Vor meiner Reise nach Deutschland hatte ich bereits mit einem Dozenten an der Hochschule, an der sie studieren möchte, Kontakt aufgenommen. Für nächste Woche möchte ich ein gemeinsames Treffen bei ihm vereinbaren, damit sie schon mal einen Eindruck bekommt, wie es dort zugeht. Grundsätzlich möchte sie einen Beruf in der Modebranche ergreifen, ob im Textildesign oder im Entwerfen von Kleidern, ist ihr noch nicht endgültig klar. Auf jeden Fall bereitet sie sich schon mal vernünftig darauf vor, indem sie die Fächer Business und Administration belegt. Nähen und Entwerfen tut sie bereits hier an der Nähmaschine. Sie „benäht“ vor allem die jüngeren Mädchen im Haus. Wenn sie das vierjährige Studium abgeschlossen hat, weiß sie hoffentlich auch, wie sie kalkulieren und sich vermarkten muss. Ich habe sie in den vergangenen Jahren alles andere als träumerisch kennen gelernt, vielmehr ist sie in diesen Bereichen eher nüchtern, tobt sich dagegen in ihren Entwürfen aus. Ich bin sehr gespannt, wie das alles weitergeht mit ihr.
Seit dem 16.05. wissen wir, dass sie die Prüfungen in allen Fächern bestanden hat. Damit steht im September einer Aufnahme an der Geoffrey-Okoye-Universität in Enugu nichts im Wege!

Bild links: Lerngruppe vor der Prüfung
Bild rechts: Für heute sind wir durch.
Bild unten: 
Big Mmesoma wird eingekleidet  




Nigeria wird aktuell von einer immensen Teuerungswelle überrollt. Allein der Preis für einen Liter Diesel hat sich in den vergangenen drei Monaten nahezu verdreifacht, von vormals 220 Naira auf 650 Naira. Dies zieht erhöhte Preise in allen anderen Bereichen nach sich, weil sämtliche Güter auf der Straße transportiert werden. In den letzten Tagen haben sogar mehrere Fluggesellschaften angedroht, den Betrieb einzustellen. Gott sei Dank sind seit dem letzten Wochenende alle Kinder zum Schulbeginn des letzten Trimesters wieder zurückgekehrt, so dass wir die Spritkosten auf einem relativ niedrigen Niveau halten können. Ausflüge wie früher entfallen allerdings. Dies gilt aber nur für das Auto; den Generator müssen wir nach wie vor täglich füttern, um Elektrizität zu haben. Ich muss nun ernsthaft über die Nutzung von Solarenergie nachdenken, werde im ersten Schritt unseren Bedarf errechnen und einen Kostenvoranschlag erstellen lassen.

Auch in anderer Hinsicht muss laufend den veränderten Gegebenheiten entsprechend angepasst werden. So habe ich mir nach dem Wegfall der vier Jugendlichen im letzten Sommer überlegt, wie ich in Absprache mit den Paten die bis dahin eingesetzten Gelder künftig verwenden werde, auch wenn eigentlich die Entscheidung schon gefallen war. Seit Monaten klopfen bedürftige Menschen an das Tor, die dringend Unterstützung benötigen. Einige bekommen diese Hilfe schon seit längerer Zeit: die chronisch kranke Chineniye durch Übernahme der Behandlungskosten und des Schulgeldes, eine junge Witwe (s.u.) durch Übernahme des Schulgeldes ihrer drei Söhne, die Kinder der verstorbenen Frau U. ebenfalls in Form von Schulgeld. Jetzt kam noch eine weitere Witwe mit drei Kindern hinzu. Außerdem läuft auch die Unterstützung für Afam weiter, den nach einer tätlichen Auseinandersetzung querschnittsgelähmten Mann, und für Emmanuel, den Jungen, der für seine häusliche Pflege zuständig ist. Mit der massiv zunehmenden Teuerung im Lande in allen Bereichen ist der Lebensunterhalt dieser Personen in keiner Hinsicht mehr gewährleistet. Deshalb habe ich eine Gruppe von Erwachsenen + Kindern aufgebaut, die durch die rapide Verschlechterung der Lebensbedingungen in Not geraten sind und ohne Unterstützung von außen ihren Alltag nicht mehr finanzieren können.

Falls Sie diese Personengruppe unterstützen möchten, melden Sie sich bitte bei mir. Dann werde ich mehr Einzelheiten mitteilen. Für’s Erste möchte ich nur ein Mädchen vorstellen, das an diesem Programm bereits teilnimmt, sowie anhand einer Berechnung die Notwendigkeit dieser Maßnahme veranschaulichen.

Esther, Halbwaise, 15 Jahre alt, HIV-positiv

Esther lebt mit ihrem älteren Bruder bei ihrer Großmutter. Ihr Vater hat die Mutter vor fünf Jahren getötet, als sie ihm kein Geld für seinen Drogenkonsum aushändigen wollte. Die Eltern lebten damals bereits getrennt, für den Vater war vom Gericht wegen seiner bekannten Gewalttätigkeit ein Kontaktverbot ausgesprochen worden, an das er sich jedoch nicht hielt. Die Mutter war mit ihren Kindern in den Einraum-Verschlag der Großmutter gezogen. 

Die Großmutter ist nicht in der Lage, ihre Enkelkinder zu versorgen. Ihre Söhne verweigern ihr angeblich jede Unterstützung. Deshalb erschien Esther schon vor mehr als einem Jahr immer wieder bei uns mit der Bitte um Nahrung und Schulgeld. Durch einen Besuch bei der Großmutter habe ich mich von der Notlage überzeugen können. Wegen ihrer Grunderkrankung sollte Esther in einer hygienisch angemessenen Umgebung leben und sich ausreichend ernähren können. Beides ist unter den aktuell gegebenen Umständen nicht möglich. Sie wiegt bei einer Körpergröße von 153 cm 33 kg. Eigentlich würde ich sie gerne bei uns aufnehmen, was sie bisher aber verweigert, weil sie sich ihrer Großmutter verpflichtet fühlt. Immerhin geht sie seit Januar in die gleiche Schule wie die hier lebenden Kinder, was ihre Situation aufgrund einer dadurch möglichen intensiven psychologischen Begleitung entlastet. 

Für Esther konnte bereits eine Patin gefunden werden. 

Bild rechts: Esther 


Wirtschaftliche Situation einer Krankenschwesterhelferin mit einjähriger Ausbildung, verwitwet, 3 schulpflichtige Söhne:

J. bekommt aufgrund ihrer reduzierten Ausbildung ein entsprechend reduziertes Gehalt. Um dieses zu verbessern, arbeitet sie fast ausschließlich im Nachtdienst – eine zusätzliche Belastung für die Mutter von drei Buben im Alter von 8 – 12 Jahren. 

Sie bezieht seit Jahren ein Gehalt von monatlich 36.000 Naira, das entspricht nach aktuellem Umtauschkurs 60 Euro. 

Als absolut arm gilt im Jahr 2022, wer weniger als 1,90 $-Dollar pro Tag an Einkommen zur Verfügung hat. 1,90 Dollar sind 1,56 Euro, also ungefähr 46 Euro pro Monat. Diese Definition legt einen absoluten Grenzwert für alle Staaten der Welt fest. 

J. hat bei voller Berufstätigkeit für einen 4-Personen-Haushalt 60 Euro zur Verfügung. Hiervon müssen Miete in Höhe von 8.000 Naira, Elektrizität, Wasser, Müllabfuhr (auch wenn sie nicht funktioniert) und das Schulgeld für die Kinder abgezogen werden. Pro Person verbleiben ihr also nicht etwa 1,56 Euro, sondern 45 Cent pro Tag. 

Sie arbeitet auch in Nachtschicht, um tagsüber wenigstens stundenweise für ihre Kinder sorgen zu können. Dadurch kann sie aber keine weitere Arbeitsstelle annehmen. 

Was sich daraus ergibt: Diese Familie ist nicht überlebensfähig. Der verstorbene Mann war nicht beim Staat angestellt, also gibt es auch keine noch so kleine Rente; Kindergeld oder Sozialhilfe sind in Nigeria unbekannt. 

Trotz ihrer desolaten Situation jammert J. nicht. Sie ist sehr froh, dass OLILEANYA seit Beginn des Jahres die Kosten für die Miete (13 Euro monatlich) und die Schulkosten (ca. 10 Euro pro Kind im Monat) übernimmt. Dies hilft aus der größten Not heraus. Sie weiß zu schätzen, dass sie einen Arbeitsplatz und ein Dach über dem Kopf hat. 

Eines ist sicher: Durch die galoppierende Inflation wird die Zahl der Notleidenden stetig anwachsen. Über die Auswirkungen der erhöhten Benzinkosten hatte ich ja bereits weiter oben geschrieben. Trinkwasser kostet inzwischen das Doppelte, der Weg zum Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird für viele unbezahlbar, ein eigenes Auto hat ohnehin nur eine kleine Minderheit. Und auch das wird wegen der enormen Spritpreise immer häufiger stillgelegt werden müssen. 



Hier ist der Zeitpunkt für ein wenig Geschichte und Klarstellung der politischen Realität im Südosten von Nigeria im Frühjahr 2022:

IPOB = Indigenous People of Biafra = die indigenen Völker von Biafra

IPOB ist eine nationalistische Separatistengruppe in Nigeria mit dem Ziel, die Republik Biafra wiederherzustellen - ein Land, das sich vor dem nigerianischen Bürgerkrieg (1967 – 1970) konstituiert hatte. Nach seiner Niederlage durch das nigerianische Militär mit Unterstützung durch England wurde es wieder zu Nigeria eingegliedert.

Die Gruppe wurde 2014 von Nnamdi Kanu gegründet, einem britisch-nigerianischen politischen Aktivisten, der für sein Eintreten für die zeitgenössische biafranische Unabhängigkeitsbewegung bekannt ist. Seit dem Sommer 2021 sitzt er ein weiteres Mal in Haft. Der Protest gegen diese Inhaftierung und die sich hinziehenden Gerichtsverhandlungen waren der Grund, dass seither an jedem Montag ein sog. „freiwilliger“ Hausarrest eingeführt wurde aus Solidarität für den IPOB-Führer. Mittlerweile weitet sich dieser Hausarrest immer weiter aus. Er läuft komplett aus dem Ruder und widerspricht dem öffentlich erklärten Willen von Nnamdi Kanu. Militante Splittergruppen haben die Führung übernommen. Der Hausarrest wird mit Gewalt umgesetzt und beliebig um weitere Wochentage verlängert, Fahrzeuge werden in Brand gesetzt, Menschen niedergeschossen, das öffentliche Leben ist lahmgelegt. Die Unzufriedenheit mit den schlechten Lebensbedingungen im Südosten von Nigeria nimmt zu. Längst geht es nicht mehr um Gerechtigkeit für Nnamdi Kanu, sondern darum, dass der Mob seiner Wut gewaltsam Ausdruck verleiht.

Hier ein interessanter Artikel der TAZ vom Sommer 2021:
https://taz.de/Separatismus-in-Nigeria/!5793052/


Gott sei Dank gibt es auch Erfreuliches zu berichten:

Dokumentarfilm über die Arbeit von OLILEANYA

Wenige Tage nach meiner Rückkehr aus Deutschland im letzten November erhielt ich eine E-Mail. Ein Herr Michael Bernstein teilte mit, er sei Dokumentarfilmer und von seiner Mutter auf OLILEANYA hingewiesen worden. Sie hatte im letzten Herbst eine Info-Veranstaltung in Tübingen besucht und angeregt, eine Dokumentation über unser Projekt zu machen. Nach anfänglicher Skepsis bin ich für diese Möglichkeit, unsere Arbeit und die Lebensbedingungen in Emene einer größeren Öffentlichkeit vorstellen zu können, sehr, sehr dankbar. Nach einer Recherche bei Google bin ich von der Arbeit des Herrn Bernstein extrem beeindruckt. Es wäre ein großes Geschenk, mit ihm arbeiten zu dürfen. Durch diese Art der Öffentlichkeitsarbeit kann der Blick wirksam auf diejenigen gelenkt werden, die wenig oder gar keine Stimme haben. Aufgrund von Corona, Unwetterkatastrophen in Deutschland und jetzt auch noch dem Ukraine-Krieg gehört die Aufmerksamkeit den „großen“ Problemen. Dass auch anderswo auf der Welt Kriege und gewalttätige Unruhen toben (s.o.), Hungersnöte bestehen und neu entstehen, gerät zunehmend aus dem Fokus.
Mittlerweile haben wir ein erstes Gespräch geführt, um unsere Vorstellungen und Ideen zu sammeln. Der erste Schritt bei der Realisierung des Vorhabens wäre das Fundraising. Wer sich in dem Bereich auskennt, Lust hat, Ideen einzubringen oder jemanden kennt, der sich daran beteiligen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.
An dieser Stelle möchte ich auf zwei Arbeiten von Herrn Bernstein hinweisen: Die „Dachauer Dialoge“ und „Wo Bücher die Welt bedeuten“. Sie sind erhältlich als DVD und auch über YouTube abzurufen.


Wasser marsch – Brunnenbau

Und dann findet natürlich hin und wieder auch Aufregendes auf unserem Grundstück statt: Nach langer und mühsamer Überzeugungsarbeit durch meine Umgebung habe ich mich dazu entschlossen, einen Brunnen bohren zu lassen. Damit sollten wir in Zukunft während der Trockenzeit unabhängig von den Wasserlieferungen durch große Tankwagen sein. Es wird nicht wundern, dass auch Brauchwasser stetig teurer wird: Es muss über eine lange Distanz aus dem Bergland auf einer miserablen Straße in einem altersschwachen Gefährt zu den Kunden transportiert werden, während der Preis für Diesel in bisher unvorstellbare Höhen geschraubt wird.

Es war spannend, ob die Brunnenbohrer auf unserem Grundstück fündig werden, aber zu meiner großen Erleichterung verlief die Suche bereits beim ersten Anlauf erfolgreich. In einer Tiefe von 47 feet = 14,3256 Meter trat klares Wasser zutage! Die Begeisterung war riesig.
Die Bilder zeigen, mit welchem Einsatz hier bei größter Hitze gearbeitet wird. Die Arbeiten müssen in der Trockenzeit durchgeführt werden, um ein realistisches Ergebnis zu erzielen. Das Graben wird von einem sehr erfahrenen und vor allem mutigen Mann durchgeführt, der sich nur mit Hilfe eines eisernen Grabstocks foot by foot nach unten arbeitet. Mir wurde nur beim Zuschauen bereits schwindelig. Drei Männer waren für insgesamt zwölf Tage mit Graben und Ausbetonieren beschäftigt, nicht jeden Tag, das wäre zu anstrengend gewesen für den „digger“. Nach einer Arbeitsdauer von ca. fünf Wochen, immer wieder unterbrochen durch Pausen, Wochenenden, erste Gewitter und Hausarreste von militanten, sog. Biafra-Aktivisten konnte endlich der Deckel draufgemacht werden.

Bilder vom Brunnebau:

So sieht es jetzt aus. Krönender Abschluss 



Weitere Bilder - auch vom Brunnenbau -  
in der aktuellen Bildergalerie.

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Es wird klar, dass in Emene, selbst in der Abgeschiedenheit unseres kleinen Areals, immer wieder Dinge in Bewegung sind, aus welcher Ecke auch immer. Es ist anstrengend, teilweise Besorgnis erregend. Aber damit befinden wir uns ja seit Monaten in guter Gesellschaft mit dem Rest der Welt. Also machen wir weiter, im Rahmen unserer Möglichkeiten, mit Gottes und mit Eurer Hilfe.

Herzlichen Dank dafür

Gabi Ayivi

Emene, 18.05.2022

Weitere aktuelle Bilder in der Bildergalerie.
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Bild: Little Promise als „Schirmherr




Rundbrief vom 10. April 2022:

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

liebe Unterstützerinnen und Unterstützer von Olileanya,

liebe alle, die uns schon lange begleiten oder von uns gehört haben und ganz gezielt aufrufen oder aus Versehen auf der Suche nach irgendwas über unsere Website stolpern und – glücklicherweise – darin hängen bleiben.

Über viele Monate hinweg herrschte Funkstille. Hierfür möchte ich mich entschuldigen. Seit Mai letzten Jahres befand ich mich nahezu durchgehend in diversen Ausnahmesituationen, die mir jeweils viel Kraft abverlangten In Gedanken war der Rundbrief immer schon in Arbeit, bis dann doch noch Dinge eintraten, die es unmöglich machten, ihn fertigzustellen. Zwischendurch hatte ich zumindest kurze, erfreuliche Neuigkeiten zu vermelden, die ich jetzt nochmal hervorheben möchte.

Eine der größten Herausforderungen hier im Büro war die Notwendigkeit, für die kleine Aira eine dringend erforderliche Herzoperation zu organisieren (siehe auch letzter Rundbrief vom Mai 2021). Viele Anläufe kamen nicht zum Tragen. Vor allem aber war in ganz Nigeria kein Krankenhaus zu finden, das diese Aufgabe hätte übernehmen können/wollen. Hier wird überdeutlich, wie tragisch sich die Abwanderung gut ausgebildeter Ärzte aus Nigeria ins Ausland auswirkt. Im Ernstfall kann einem schwer Erkrankten keine Hilfe gewährt werden, weil das Fachpersonal nicht mehr vorhanden ist. Gut ausgestattete Operationssäle sind verwaist. Eine weitere Problematik zu Corona-Zeiten besteht darin, dass keine Fachärzte aus dem Ausland mehr kommen, um hier ehrenamtlich einen Einsatz leisten.

Dass die zähe Suche nach einer Lösung des Problems doch noch erfolgreich war, verdanken wir dem Engagement einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin, die den Kontakt zur Organisation „Ein Herz für Kinder“ herstellte. Damit war die Kostenübernahme gesichert und wir konnten mit Unterstützung der Projektleiterin dieser Stiftung nach einer geeigneten Klinik suchen. Die Operation wurde im September in der Türkei erfolgreich durchgeführt, Aira geht es gut.

Bild: Vorbereitung zur Operation

Augenklinik

Auch hier besteht berechtigte Hoffnung – und zwar für das Projekt einer neuen augenärztlichen Ambulanz. Das Deutsche Blindenhilfswerk hat sich grundsätzlich bereit erklärt, die Finanzierung zur Fertigstellung und Ausstattung des bereits seit 2½ Jahren bestehenden Gebäudes zu übernehmen. Auch diese Adresse verdanken wir dem Engagement einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin. Im Moment geht es noch um letzte Klärungen, sozusagen um den Feinschliff. Ich bin zuversichtlich, dass unser Antrag in absehbarer Zeit positiv entschieden wird.

Zwischendurch bekamen wir immer wieder einzelne Geldbeträge, die es uns ermöglichten, z.B. das jahrelange Provisorium der Grundstücksbegrenzung durch eine solide Mauer aus Steinen zu ersetzen. Damit ist sichergestellt, dass sie künftig während der Regenzeit auch in größten Stürmen nicht mehr “vom Winde verweht” wird.

Bild links: Provisorium Bergrenzung Augenklinik, vom Sturm zu Fall gebracht
Bild rechts: neue Mauer, noch ohne Tor (kommt im Mai)










Zu meiner großen Freude bekamen wir von der Initiative “Ärztecamp International” mit Sitz in Germering bereits das erforderliche Geld, um einen neuen gebrauchten Ambulanzbus zu kaufen. Vielen Dank an dieser Stelle nach Bayern!


Lepra-Camp

Die Physiotherapie für Afam Nwatu verläuft nach wie vor sehr erfolgreich. Er kann jetzt frei sitzen, liegt deshalb auch nicht mehr den ganzen Tag über auf seiner Matratze. Darüber hinaus spürt er teilweise wieder, wenn man ihn berührt. Gemessen an dem ursprünglichen Zustand sind das für ihn gewaltige Fortschritte, über die er sehr glücklich ist.

Die monatlichen Sprechstunden laufen in gewohnter Weise weiter, zu meiner Freude ohne große unangenehme Überraschungen. Die regelmäßige Medikamentengabe zeigt Wirkung, erhöhte „Blutdrücke“ sind gut eingestellt und machen keine Sorgen mehr.


Haus Nno

Leider traten hier ab dem Frühsommer 2021 in unregelmäßigen Abständen Problemfälle auf, mit denen ich in diesem Ausmaß nicht gerechnet hatte. Den Beginn machte unser fröhlicher, gehörloser Obinna, der sich in seinem Dorf während der Osterferien verliebt hatte und das Mädchen seiner Träume nach seiner Schilderung „geheiratet“ habe. Damit sei der Aufenthalt hier für ihn beendet, er werde nicht mehr in die Schule gehen. Ab da saß er auf gepackten Taschen, war zu einem Umdenken nicht zu bewegen. Schließlich hat ihn eine Tante abgeholt, seither haben wir nichts mehr von ihm gehört.

Im August stellte sich heraus, dass sich innerhalb der Hausgemeinschaft heimlich, still und leise eine Gang gegründet hatte, die versuchte, von unserem Haushaltsgeldkonto 100.000 Naira (ca. 150 Euro) für sich abzuzweigen. Gott sei Dank wurde diese Aktion so rechtzeitig bemerkt, dass sie das Geld nicht ausgeben konnten. Es tat sehr weh, diese drei Jungs noch am gleichen Tag in die Herkunftsfamilien entlassen zu müssen. Einer von ihnen lebte seit Beginn hier im Haus, alle werden es nach dem abrupten Ende des Schulbesuches sehr schwer haben, einen Platz im Leben zu finden. Andererseits wurde klar, dass hinter der gesamten Planung eine hohe kriminelle Energie steckte. Es wird deutlich, dass unser Konzept Grenzen hat. Alle Kinder / Jugendlichen kommen mit einem Riesenpaket verschiedenster Belastungen seit früher Kindheit zu uns, die nicht immer adäquat aufgearbeitet werden können. Diese Erfahrungen waren sehr ernüchternd und bitter, aber im Rückblick wertvoll. Unsere Möglichkeiten und Mittel sind begrenzt. Im Grunde genommen wären Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Praktikums im Bereich der Heilpädagogik sehr wünschenswert. Leider kann unsere Ecke in Nigeria keine großen Attraktionen aufweisen, die junge Menschen zu einem Aufenthalt verlocken könnten. Die fragile Sicherheitslage ist ein weiterer Faktor, der mich zögern lässt, Werbung zu machen. So werden wir wohl weitermachen müssen wie gehabt. Seit einem knappen Jahr steht mir ein Sozialarbeiter zur Seite, der zweimal wöchentlich Gespräche mit den Kindern führt und Ratschläge erteilt. Das entlastet mich bereits sehr.

Zur Jahreswende 2021/22 kam dann der nächste große Schlag: Chioma, die von Anfang an als Haushaltshilfe bei mir gearbeitet hat, kündigte ihre Tätigkeit sehr überraschend auf. Ihre wachsende Unzufriedenheit war zwar bereits Wochen vorher zu bemerken, wurde aber von ihr nicht an einem konkreten Punkt festgemacht. In den Weihnachtsferien schuf sie dann unerwartet Tatsachen: Sie hatte, von mir unbemerkt, ihr Zimmer leergeräumt und ist nach dem Urlaub, zum Beginn des nächsten Schultrimesters, einfach nicht wieder zur Arbeit erschienen. Von einem Tag auf den anderen musste ich, zwei Tage vor Schulbeginn, jemanden finden, der auf den Markt geht und Lebensmittel einkauft, um dann die Mahlzeiten für die Kinder zu kochen. Diese haben ihren eigenen, landesüblichen Speiseplan, in den ich mich nie eingemischt habe. Dieses Problem konnte sozusagen in letzter Minute geregelt werden, während die Kinder bereits aus den Ferien eintrafen. Eine Krankenschwester, die ihren Job im Krankenhaus zum gleichen Zeitpunkt gekündigt hatte und ein eigenes, kleines Geschäft mit Lebensmitteln aufbauen wollte, ist für zwei Monate eingesprungen. Durch ihre fröhliche Art hat sie sehr zur Entspannung in dieser schwierigen Situation beigetragen. Und die Kinder waren mit ihrem Speiseangebot mehr als zufrieden, die Großen haben noch viel bei ihr gelernt.

Seit Anfang Februar habe ich nun eine neue Mitarbeiterin, die sich mit viel Freude in ihre Arbeit stürzt. Sie ist mit ihren 23 Jahren noch sehr jung und entsprechend unerfahren, hat aber einen unbeschwerten Umgang mit allen Kindern und Jugendlichen.




Bild: das neue Dreigestirn (v.l.n.r):
Gabriele Ayivi, Dr. Obinna Aninwada und Onyenyie 



Wenige Wochen nach dieser weiteren Belastungsprobe wurde ich krank, fing mir eventuell einen ausgesprochen gemeinen Keim unbekannter Herkunft ein. Zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren musste ich mich stationär ins Krankenhaus begeben, lag anschließend fast den gesamten Februar über im Bett. Mittlerweile geht es mir zunehmend besser, ich kann wieder stundenweise im Büro arbeiten. In dieser schwierigen Zeit durfte ich erfahren, wie groß und vor allem wie zuverlässig die Zuwendung einer afrikanischen „Familie“ im Ernstfall ist. Ich wurde für keine Minute allein im Haus gelassen, immer war jemand um mich herum, um zu fragen, ob ich etwas benötige, Doc Obinna kam zu einer täglichen Visite. Das war zuweilen sehr anstrengend, weil ich oft nur meine Ruhe haben wollte.

Leider bin ich wohl noch für längere Zeit nicht völlig wieder hergestellt, weshalb ich diesen Brief in zwei Sendungen aufteilen muss. In ein paar Tagen folgt der Rest, dann auch wieder mit mehr Bildern.


Zur aktuellen Situation in der Welt möchte ich Erich Fried zitieren:

„Wenn ich mich auch nur an den Anfang gewöhne, fange ich an, mich an das Ende zu gewöhnen.“


Für die lange Informationslücke bitte ich nochmals um Verständnis – ich werde nachliefern, versprochen! 

Ihnen / Euch allen wünsche ich eine gute vorösterliche Zeit.


Ihre / Deine

Gabriele Ayivi

Sonntag, 10.04.2022


Hier noch zwei aktuelle Bilder (zum Vergrößern anklicken)

links: Tür zu meinem Büro = tägliche Motivation
rechts: Regenzeit = Blütenzeit